Zukunft des Dieselmotors Er hat noch Potenzial

Bosch-Weichai-Kooperation Effizienzsteigerung Dieselmotor. lao-Sonderheft Kaufberatung 2020, Zukunft Dieselmotor, Verbrenner. Foto: Bosch 8 Bilder

Verbreitung, Einsatzvielfalt, jüngste Innovationen und ­synthetische Kraftstoffe zeigen: Es ist zu früh für einen Abgesang auf den Verbrennungsmotor

Die Nachricht ließ aufhorchen: Mitte September verkündeten Bosch und der chinesische Motorenhersteller Weichai Power „einen riesigen Fortschritt in der Motorentechnik“. Wie Bosch erklärte, war es den Projektpartnern gelungen, den Wirkungsgrad eines Dieselmotors von Weichai für schwere Nutzfahrzeuge erstmals auf 50 Prozent zu erhöhen und einen neuen weltweiten Maßstab zu setzen. Im Schnitt liege der thermische Wirkungsgrad von Lastwagenmotoren aktuell bei rund 46 Prozent. „Auch wenn der Dieselmotor inzwischen fast 130 Jahre alt ist, geht die Entwicklung immer noch weiter“, wurde Volkmar ­Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung von Robert Bosch, zitiert. Ein Bekenntnis zum eigenen Know-how und zur Weiterentwicklung des Dieselverbrenners, der allen Abgesängen und alternativen Aushängeschildern zum Trotz weiterhin das Rückgrat des weltweiten Straßengüterverkehrs bildet.

„Gerade im Nutzfahrzeugbereich und vor allem, wenn große Lasten über lange Distanzen transportiert werden müssen, bleibt der Dieselmotor auf absehbare Zeit weiter die erste Wahl“, betont Bosch immer wieder. Bei Klimaschutz und Schonung von Ressourcen kann die Weiterentwicklung des Verbrenners also nicht außer Acht bleiben.

Bosch und Weichai kooperieren seit 2003, das Dieselprojekt begann 2018. Neben seinem Common-Rail-System mit 2.500 Bar Einspritzdruck hat Bosch sein ganzes technisches Know-how bei Einspritzsystemen eingebracht. Der Sechszylinder-Dieselmotor mit 12,9 Liter Hubraum verfügt über das modulare Common-Rail-System für Nutzfahrzeuge von Bosch. Es ist für Druckstufen zwischen 1.800 und 2.500 Bar und variabel in Motorgrößen mit bis zu acht Zylindern einsetzbar. Hohe Düsendurchflüsse ermöglichen die Optimierung der Verbrennungsstrategie sowie eine hohe Motorleistung. Je nach Bedarf wird laut Bosch eine Lebensdauer von bis zu 1,6 Millionen Kilometern erreicht.

Die Zukunft des Fahrzeugantriebs will Bosch grundsätzlich technologie­offen angehen. Einerseits lautet das Ziel, Marktführer in der Elektromobilität mit batterie- und brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen zu werden. Andererseits geht die Entwicklung effizienter Verbrennungsmotoren weiter. Bosch rechnet damit, dass 2030 etwa ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge rein elektrisch fahren wird. Zwei Drittel werden hingegen noch von einem Verbrenner angetrieben sein, davon viele als Hybride.

Weitere Stellschrauben

An der Effizienzsteigerung des Dieselmotors arbeitet auch Jacobs Vehicle ­Systems. Das US-Unternehmen ist bekannt für seine Dekompressionsbremse („Jake Brake“) und hat 2016 die neue Hochleistungsmotorbremse HPD (High Power Density) vorgestellt, die nun von CNHTC/Sinotruk als erstem OEM in Serie verbaut wird.

HDP-Komponenten setzt Jacobs auch bei seiner 2019 vorgestellten Zylinderabschaltung (Cylinder Deactivation, CDA) ein, um das Öffnen der Ein- und Auslassventile zu unterbinden. Durch den CDA-Mechanismus im Ventiltrieb bleiben die Ventile in den deaktivierten Zylindern geschlossen. „Wird zugleich die Einspritzung in ­ausgewählte ­Zylinder ausgeschaltet, kann jede gewünschte Kombination von Zylindern deaktiviert werden“, erklärt Jacobs-Direktor Robb Janak. So schaltet der Motor etwa vom Sechszylinder- in den Dreizylinderbetrieb um, wenn die Last eine vorgegebene Schwelle unterschreitet, was Verbrauch, CO2- und, durch höhere Abgastemperatur, vor allem den NOX-Ausstoß verringert.

Parallel dazu hat Jacobs die zwei­stufige, variable Ventilsteuerung VVA (Variable Valve Actuation) auf den Markt gebracht. Sie soll künftige Verbrauchs- und Emissionsziele mit minimalen Änderungen am Basismotor und am Nachbehandlungssystem erfüllen. Das frühere oder spätere Schließen des Einlassventils reduziere Kraftstoffverbrauch und Emissionen, indem es das Nach­behandlungssystem während des Schwachlastbetriebs auf Temperatur hält, erläutert Jacobs. Das frühzeitige Öffnen des Auslassventils wiederum ermögliche ein schnelleres Aufwärmen von Motor und Nachbehandlungssystem und reduziere die Emissionen. Eine interne statt externer Abgasrückführung stabilisiert zudem die Kaltstartverbrennung, verkürzt die Aufwärmzeit des Motors und soll den Schadstoffausstoß reduzieren.

Synthetische Kraftstoffe

Diese Innovationen ändern freilich nichts an einer Tatsache: Ein Teil der Fahrzeuge, die in den nächsten zehn Jahren unterwegs sein werden, ist bereits produziert und verkauft. Auch der Fahrzeugbestand muss und kann daher einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten, die sich Vereinte Nationen und EU zum Ziel gesetzt haben. Die wichtigste Stellschraube stellt hier der Kraftstoff dar. Dass sich gerade der Dieselmotor vom Grundprinzip her mit mehr als nur fossilen Brennstoffen zufriedengibt, ist längst bekannt.

Als „nachwachsende Kraftstoffe“, die ohne Abstriche mit modernen Motoren, Abgasnachbehandlungssystemen und Emissionsvorschriften kompatibel sind, haben sich in den vergangenen Jahren zwei Sorten etabliert. Da ist einmal HVO, hydriertes Pflanzenöl. Es kann aus verschiedenen Quellen hergestellt werden, so aus Altöl, Rapsöl, Palmöl oder tierischen Fetten. Im Vergleich zu Standard-Dieselkraftstoff sei bei einem HVO-betriebenen Lkw eine CO2-Reduzierung um bis zu 90 Prozent möglich, wirbt zum Beispiel der Lkw-Hersteller Scania. Dann gibt es noch den sogenannten Biodiesel, der zum Beispiel aus Rapssaat, Pflanzen und Speiseölresten gewonnen wird. Hier liegt die mögliche CO2-Reduzierung laut Scania bei bis zu 85 Prozent.

Bei beiden Varianten stellt sich ab einer gewissen Größenordnung die berühmte Frage „Tank oder Teller?“, zumal der Anbau von Nutzpflanzen ja bereits der subventionierten Ökostromerzeugung in Biogasanlagen dient. Auch die Rodung weiterer Flächen zum Beispiel für neue Palmölplantagen käme einem eher zweifelhaften Dienst an der Natur gleich.

Eine Alternative hierzu bilden die E-Fuels. Mit elektrischer Energie – ­idealerweise überschüssigem Wind- oder Solarstrom, den das Netz nicht aufnehmen kann – wird Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) gespalten. Letzterer wird im zweiten Schritt mit Kohlenstoffdioxid (CO2) verbunden, das als Abfallprodukt aus anderen industriellen Pro­zessen anfällt oder aus der Umgebungsluft extrahiert wird. Mögliche Endprodukte sind synthetisches Benzin, synthetischer Diesel, synthetisches Gas oder Kerosin. Das bei ihrer Verbrennung ausgestoßene Kohlenstoffdioxid kann in diesem Produk­tionskreislauf wiederverwertet werden, was die E-Fuels, zumindest theoretisch, zu klima­neutralen Kraftstoffen macht.

Da Speicherung und Transport in großen Mengen möglich sind, kann der zur Herstellung erforderliche Bedarf an erneuerbaren Energien weltweit generiert werden – dort, wo eben oft die Sonne scheint oder der Wind weht. Das ist nicht zuletzt relevant für den Wirkungsgrad. Der Wirkungsgrad eines Elektrofahrzeugs der Kompaktklasse, das mit regenerativer Energie aus Deutschland geladen wird, liegt bei etwa 60 bis 70 Prozent, wie Bosch vorrechnet. Stammt der Strom aus entfernteren Regionen und muss für den Transport zunächst in einen chemischen Energieträger umgewandelt und anschließend wieder rückverstromt werden, sinkt der Wirkungsgrad auf 20 bis 25 Prozent. Das entspreche dem eines mit E-Fuels betriebenen Fahrzeugs. Der Automobil-Club ADAC rechnet hingegen mit nur 10 bis 15 Prozent Energie, die bei einem E-Fuel letztlich auf der Straße landen.

Käme der Strom für die Herstellung von E-Fuels nicht aus erneuerbaren Energien, wäre es sicherlich effizienter, den im ersten Schritt erzeugten Wasserstoff ohne weitere Synthese direkt zu verbrennen – wenn man beim Kolbenmotor bleiben möchte. Erfahrungen mit Wasserstoffverbren­nern und Prototypen gibt es bereits. MAN hatte schon in den 90er-Jahren damit experimentiert, sich aber zu­­nächst gegen gasförmige Kraftstoffe entschieden. Jetzt wollen die Münchner diesen Ansatz weiterverfolgen, wie sie im Oktober 2020 bei der Vorstellung ihrer Elektro- und Wasserstoff-Roadmap bekannt gaben. Nicht weit entfernt, in Unterschleißheim, sitzt mit Keyou ein Unternehmen, das sich seit 2015 ganz dem „Wasserstoffmotor“ verschrie­ben hat und sich inzwischen neben einer EU-Förderung über eine direkte EU-Firmen­beteiligung freuen kann.

Keyou bewirbt seinen auf einem Deutz-TCD-Dieselmotor basierenden Wasserstoffprototyp damit, dass er das sauberste Antriebssystem im Lebenszyklus darstelle – und das zu dieselähnlichen Gesamtkosten. Ein Wasserstoffverbrenner erfordert allerdings Modifikationen an Motorsteuerung, Kraftstoffsystem und Zünd­anlage, da er nach dem Ottoprinzip arbeitet, sowie eine entsprechende Tankstellen­infrastruktur. Geht es um die Aufbesserung der CO2-Bilanz von jetzt und in naher Zukunft eingesetzten Motoren, kommt man an den synthetischen Kraftstoffen eigentlich nicht vorbei, denn sie können in allen aktuellen Varianten mit der bestehenden Versorgungsinfrastruktur verwendet werden – ob rein oder beigemischt.

Bleibt die Frage nach dem Preis. Bosch erklärt, dass für E-Fuels bis 2030 reine Kraftstoffkosten von 1,20 bis 1,40 Euro pro Liter realisierbar seien. Eine Rechnung ohne den in Deutschland so hohen Steueranteil. Selbst von der ab 2021 für fossile Kraftstoffe geltenden CO2-Bepreisung möchte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die E-Fuels nicht dauerhaft ausnehmen.

Mehr noch: Das Bundesumweltministerium blockiert beharrlich die Zulassung von E-Fuels als Reinkraftstoffe und sieht, außer bei Kerosin für die Luftfahrt, auch keine „Unterquote für fortschrittliche Kraftstoffe“ dafür vor, die eine Markteinführung anstoßen könnte. Nennenswerter Widerstand gegen die Versteifung des Ministeriums auf batterieelektrische Antriebe kommt, abgesehen von Industrieverbänden, bisher nur aus Baden-Württemberg. Laut eines Berichts der Stuttgarter Nachrichten sprach sich das Land im Bund-Länder-Arbeitskreis für Immissionsschutz Ende September 2020 als einziges Bundesland für das Inverkehrbringen von E-Fuels aus.

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