Verkehrssicherheit Wir brauchen eine Lösung

Foto: Jan Bergrath
Meinung

Auch in der Coronakrise, in der sich die Arbeitsbedingungen vieler Lkw-Fahrer massiv verschlechtert haben, legt die Autobahnpolizei aus Münster Fahrzeuge mit zu viel Licht still.

Selbst für das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen ist das vollkommen in Ordnung. Bei FERNFAHRER live zeigen Mario Bruns und Evert Bakker von Heide Logistik daher, wie sich für die Fans von Lkw mit Zusatzbeleuchtung durch eine technische Lösung die Situation möglicherweise entspannen könnte.

Die Verkehrssicherheit für Fahrer von Lkw ist ein weites Feld. Da ist zum Einen der rein technische Aspekt. Abgefahrene Reifen, gerissene Bremsscheiben, nicht funktionierende Beleuchtung, vor allem am Auflieger, oder schlecht gesicherte Ladung fallen eindeutig in die Kategorie Gefahr für die Verkehrssicherheit. Aber auch die Arbeitsbedingungen haben auf der anderen Seite massiven Einfluss. In guten wie in schlechten Zeiten: Parkplatzmangel, ständige Staus, überlange Arbeits- und Lenkzeiten, die privaten Sorgen, die wohl jeder Fahrer derzeit mit sich rumschleppt. Auch die derzeit miserablen hygienischen Bedingungen… Wie soll das nun in der Coronakrise weiter gehen?

Sehr schlechte Zeiten für Fahrer

Am Anfang, als in der Coronakrise das Kartenhaus der globalen Logistik ziemlich schnell zusammengebrochen ist, waren die Lkw-Fahrer noch die systemrelevanten „Helden der Versorgung“, die alles gegeben haben, um den Laden am Laufen zu lassen. Ihre Arbeits- und Lenkzeiten wurden gelockert, damit die Logistik gegen die irrwitzigen Hamsterkäufe von Teilen der Konsumenten flexibel reagieren konnte. Gleichzeitig wurden Restaurants und Toiletten auch für Lkw-Fahrer abgeschlossen. Längst sind Teile der globalen Wirtschaft zum Erliegen gekommen. Immer mehr Fahrer sind in Kurzarbeit, jedenfalls bei uns in Deutschland. Die Lockerung der Lenkzeiten wird aber bis zum 17. Mai aufrecht erhalten, weil es einige Handelsketten nicht auf die Reihe kriegen, ihre überfüllten Lager besser zu organisieren. Wer muss es ausbaden? Die Fahrer durch erheblich lange Wartezeiten. Dann, so schreiben es manche arg entnervte Kollegen in den sozialen Medien, wird die beim Warten verlorene Zeit auf dem Weg zur nächsten Ladestelle wieder reingeholt. Auch das ist schlecht für die Verkehrssicherheit. Längst sind wir die „Deppen der Nation“ hallt es derzeit quer durch Facebook.

Machtdemonstration auf der A 1 bei Münster

Es ist jetzt ziemlich genau vier Jahre her, dass ich im Heft 3/2016 des FERNFAHRER und online auf Eurotransport (darin auch das PDF der Reportage) über die höchst fragwürdige Kontrollpraxis des Polizeihauptkommissars Thorsten Baumann von der Schwerlastkontrollgruppe der Autobahnpolizei Münster berichtet habe. Baumann hatte eigene Fotos von Show Trucks beim Truck-Grand-Prix 2015 und von der Internetseite mindestens eines Frachtführers für Anzeigen gegen die Halter genutzt hatte. Ein juristisch bedenkliches Verfahren, das damals für Aufsehen gesorgt. Eine Zeit lang sah es so aus, als hätte sich die Lage für Fahrer mit Zusatzbeleuchtung an der A 1 bei Münster etwas entspannt.

Die Anweisung aus Baden-Württemberg

Bis Ende 2018 eine Anweisung aus dem Verkehrsministerium in Baden-Württemberg den Trumpf nun vollkommen auf die Seite der Straßenkontrolleure und Prüforganisationen gebracht hat. Alles, was derzeit an zusätzlich angebautem Licht nicht dem Paragrafen 49a der Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) oder der UN-Regelung 48 entspricht, muss abgebaut werden. Die Polizei muss sich mittlerweile, wie es ein Fahrer aus Norddeutschland erlebt hat, gar nicht mehr die Mühe eines Bußgeldbescheids oder eines Mängelberichtes machen - sie eskortiert den Fahrer eines Lkw einfach zum nächsten TÜV. Der erledigt den Rest. Sonst droht die Staatsmacht, den Lkw einfach auf offener Straße stillzulegen.

Lichtkontrollen in der Coronakrise

Und so erreichten mich mitten in der Coronakrise Hilferufe von Fahrern und Unternehmern, dass die Autobahnpolizei Münster um PHK Thorsten Baumann und seinen in der Fixierung auf Lichtkontrollen offensichtlich kongenialen Kollegen Sven Kunz weiterhin gezielt Lkw mit Zusatzbeleuchtung aus dem Verkehr zieht und die Fahrer am helllichten Tag dazu nötigt, die illegale Beleuchtung an Ort und Stelle abzubauen. Insbesondere Sven Kunz hat, das geht aus Unterlagen hervor, mit denen ich sowohl die Pressestelle der Polizei in Münster als auch des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen konfrontiert habe, bereits seit letztem Jahr eine mittelständische Spedition aus Norddeutschland regelrecht im Kontrollvisier, die er nach Auswertung aller Unterlagen und Aussagen der Betroffenen wohl in die Knie zwingen will.

Bedenkliche Kontrollmethoden

Kunz greift auf eine Kontrollmethode zurück, die auf den ersten Blick zumindest bedenklich ist. In mehreren Fällen hat er laut Zeugenaussagen Fahrzeuge mit zwei Beamten kontrolliert: Während der Kollege mit dem Fahrer die Ladungssicherung geprüft habe, so der mehrfach schriftlich hinterlegte Vorwurf, sei er ins Fahrerhaus gestiegen, habe den in der Show-Truck-Szene nach PHK Baumann benannten Abschalter, der das zusätzliche Licht während der Fahrt deaktiviert, gesucht und diesen selber angeschaltet, um Fotos für eine Anzeige gegen Fahrer und Halter zu generieren. In einem Fall war der Fahrer vom Vorgehen der Autobahnpolizei Münster, der Androhung einer Stilllegung des Lkw, so entnervt, dass er den mit drei Kundenladungen beladenen Sattelzug stehen ließ und zu Fuß nach Hause gegangen ist. Der Unternehmer hat deswegen zwischenzeitlich einen Anwalt eingeschaltet. Allerdings ist die schlechte Nachricht für Fahrer, das hier nur in Kürze, dass diese Art der Kontrolle durch den Paragraf 7 der EU-Regelung über die technische Unterwegskontrolle gedeckt ist.

Stellungnahme von Polizei und Innenministerium

Polizeibeamte aus anderen Dienststellen, mit denen ich darüber im Hintergrund gesprochen habe, finden das Vorgehen der Autobahnpolizei Münster lachhaft, peinlich bis vollkommen überzogen. Ich persönlich halte es für eine Machtdemonstration zweier Polizeibeamter, die das Recht und das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen auf ihrer Seite wissen. Aus Düsseldorf hieß es auf meine Anfrage: „Auch uns ist natürlich bewusst, dass die Coronakrise die Logistikbranche und insbesondere die Lkw-Fahrer auf den Fernstraßen vor ganz besondere Herausforderungen stellt. Doch auch in dieser Zeit dürfen Maßnahmen der Verkehrssicherheitsarbeit, insbesondere zur Bekämpfung von Verkehrsunfällen durch die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, nicht ausgesetzt werden. Auch Verkehrskontrollen von Kraftfahrzeugen des gewerblichen Güterverkehrs sind hier ein fester Bestandteil und ganz im Sinne der „Fachstrategie Verkehr“ der nordrhein-westfälischen Polizei.

Hierzu zählen die Überwachung der Sozialvorschriften genauso wie die Vorschriften der StVO und der StVZO. Auch die Überprüfung lichttechnischer Einrichtungen darf dabei nicht außeracht gelassen werden. Sollten hierbei offensichtliche Verkehrsverstöße festgestellt werden, sind diese auch in der aktuellen Situation unverändert zu ahnden.“ Die Polizei Münster wiederum verweist als Antwort auf meine „Beschwerde“ auf die Antwort des Innenministeriums und will sich im Zuge von laufenden Ermittlungen nicht zu Einzelfällen äußern. Auch dazu ist anzumerken, dass der allgemeine Kontrolldruck auf der Autobahn durch die Polizei zugunsten der Observation von Corona-Verstößen zurückgegangen ist, eine Kontrolle von verkehrsgefährdenden Abstandsvergehen, bei der vor allem die ausländischen Fahrer unmittelbar angehalten werden, findet kaum mehr statt. Nach eine kurzen Phase der Erholung steigt auch wieder die Zahl der Lkw-Unfälle am Stauende.

Gut gemeint – aber leider nicht hilfreich

In der Sendung von FERNFAHRER Live am 16. April zum „Tag der Logistik“ hatte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger, auf meine Frage, ob diese Lichtkontrollen in Zeiten des Versorgungsengpasses der Bevölkerung denn aus Sicht des Verkehrsministeriums unbedingt nötig sind, noch auf seine Konferenz mit den Länderverkehrsministern verwiesen und gesagt, man könne sicher auch mal ein Auge zudrücken. Auf meine Nachfrage beim Verkehrsministerium in NRW kam dann prompt die Richtigstellung: „Allerdings spricht der PSts Steffen Bilger in dem von Ihnen übersandten Link über die Gespräche mit den Landesverkehrsministern davon, dass es momentan die schnellste Lösung sei, auf Kontrollen in Bezug auf auslaufende Fristen zu verzichten, etwa im Bereich Schulungen und Führerscheine. Es solle dort ein Auge zugedrückt werden, wo die Verkehrssicherheit und die Gesundheit der Menschen nicht gefährdet würden. Es geht also nicht um Lkw-Kontrollen.“ Das war vom Koordinator für Güterbekehr zwar gut gemeint – aber leider auch nicht hilfreich.

Wann ist eine Ordnungswidrigkeit begangen?

Für mich ist derzeit allerdings vieles nicht mehr nachzuvollziehen. Auf der einen Seite hat der Abteilungsleiter für Straßenkontrollen beim Bundesamt für Güterverkehr, BAG, Bernd Krekeler, im Gespräch mit FERNFAHRER live am 23.4. in Bezug auf die höchst unbefriedigende Sonderkontrolle auch der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw gesagt, „dass eine Ordnungswidrigkeit erst vollkommen begangen sein muss, um ein Bußgeld zu verhängen.“ Es also für das BAG praktisch nicht möglich ist, etwa bereits am Sonntagabend einen Fahrer nach beispielsweise 38 Stunden im Lkw zu belangen, der erst am Montagmorgen, also nach den vollendeten 45 Stunden im Lkw, losfährt. Man müsse ihn schon auf frischer Tat ertappen. In Deutschland, so Krekeler, könne eine Ordnungswidrigkeit erst bestraft werden, wenn sie auch begangenen ist.

Ist die Stilllegung von Lkw mit Zusatzbeleuchtung rechtmäßig?

Andererseits soll ein Fahrer dafür bestraft werden, dass er tagsüber ohne Licht unterwegs ist und das illegale Zusatzlicht mutmaßlich erst in der kommenden Nacht anschalten würde. Ist die Stilllegung von Lkw selbst mit einer aktivierten Abschaltvorrichtung am Tag überhaupt rechtmäßig? „Nach dem Tatbestand 222.4 des Bußgeldkatalogs ist ein Bußgeld in Höhe von 15 Euro zu verhängen, wenn ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen wird, welches nicht vorgeschriebene, zusätzliche Scheinwerfer oder Leuchten angebaut hat“, so argumentiert der Fachwanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier. „Dies bedeutet meines Erachtens, dass der Gesetzgeber diese Situation, zusätzliche lichttechnische Einrichtungen am Fahrzeug, gesehen hat und diese, wie es auch die Bußgelder zeigen, als Kleinst-Ordnungswidrigkeiten angesehen hat.“

Erlöschen der Betriebserlaubnis

Deutlich gravierender seien dagegen die Bußgelder für den Fall, wenn die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs angeordnet wird, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war und dadurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wurde. Dazu Pfitzenmaier: „Hier ist nach 189 a.1 des Bußgeldkatalogs ein Bußgeld von 270 Euro vorgesehen, verbunden mit der Eintragung eines Punktes. Die Frage des Erlöschens der Betriebserlaubnis wiederum richtet sich nach Paragraf 19 StVZO. Hier ist der Grundsatz derjenige, dass die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges so lange erhalten bleibt, bis sie ausdrücklich entzogen wird. Darüber hinaus erlischt sie, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist.“

Wann findet eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern statt?

Wann eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern stattfindet, so Pfitzenmaier weiter, sei nicht abschließend geregelt. „Es gibt in der Kommentierung zu Paragraf 19 StVZO einen Beispielkatalog. In der Regel führt der Anbau lichttechnische Einrichtungen per se nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis, sodass grundsätzlich dadurch wohl auch keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer besteht. Über diesen Punkt kann man mitunter aber trefflich streiten.“ Das heißt: im ersten Schritt ist zunächst zu prüfen: erlischt durch den Anbau die Betriebserlaubnis und, wenn darüber hinaus der Bußgeldtatbestand verwirklicht werden soll, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dadurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wird „Meines Erachtens ist der Bußgeldtatbestand nur dann erfüllt, wenn durch zusätzliche oder nicht erlaubte lichttechnische Einrichtungen eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit stattfindet. Dies ist meines Erachtens in vielen Fällen aber nicht gegeben.“

Zu diesem Thema gibt es am 27.4. ab 17 Uhr bei FERNFAHER Live eine Diskussion mit dem Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, dem Unternehmer Mario Bruns aus Kirchlinteln, dessen Fahrer Evert Bakker, den weiteren Fahrern Christian Gröger und Jan Lindemann sowie dem Geschäftsführer von Jumbo Fischer, Jörgen Fischer. Die Pressestelle der Polizei Münster hat meine Einladung an die beiden Polizeihauptkommissare Sven Kunz und Thorsten Baumann leider zurückgewiesen. Das ist schade, denn exklusiv stellen wir eine technische Lösung vor, die das Dilemma vieler Fahrer und Unternehmer mit einem Faible für Zusatzbeleuchtung zumindest lindern könnte – sollte sich der Gesetzgeber darauf einlassen.

Hier geht's direkt zur Sendung.

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