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Unternehmen stärken ihren Auftritt Chancen für Wachstum im Osten

Foto: white - Fotolia

Rhenus und Hellmann verbessern in Osteuropa durch eine Übernahme beziehungsweise durch Erhöhung von Firmenanteilen ihre Position.

Coronapandemie und Brexit treiben die Wirtschaft vor sich her. Die deutschen Logistikunternehmen verlieren aber deshalb nicht den Blick aufs Ganze. Ein Beispiel sind Rhenus und Hellmann, die sich vor allem im Hinblick auf Osteuropa positionieren und auch Russland im Blick haben – trotz des Embargos.

Polen löst Großbritannien ab

„Die Region Mittel- und Osteuropa steht bereits heute für 19 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels, das ist mehr als mit China und den USA zusammen“, sagt Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, in einem Interview mit trans aktuell (siehe Interview unten). Beispiel Polen: Das Land ist mit Abstand größter Handelspartner Deutschlands in Mittel- und Osteuropa und hat inzwischen Großbritannien als sechswichtigsten Handelspartner Deutschlands abgelöst.

So ist auch der Schachzug von Rhenus zu verstehen, das zum 1. Januar die Logistikgruppe Loxx aus Gelsenkirchen übernommen hat – vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden. Das Unternehmen hat rund 540 Mitarbeiter: 330 am Hauptsitz in Gelsenkirchen, die anderen verteilen sich auf die weiteren operativen Standorte Pleidelsheim (bei Stuttgart), Warschau, Poznan und Katowice (alle drei in Polen). Zu den Schwerpunkten gehören nationale und internationale Lkw-Verkehre, Bahn-, Luft- und Seetransporte, Spezial- und Übermaßtransporte sowie verschiedene Logistikdienstleistungen, europaweite Stückgutverkehre und Verkehre nach Russland und Vorder- und Zentralasien (lesen Sie im Interview mit Ulrich Schröder von Loxx Logistics, wie das GUS-Geschäft läuft). Kundenbranchen sind unter anderem Chemie und Konsumgüter.

Loxx-Übernahme bietet Chancen für europäischen Landverkehr

„Die geplante Übernahme von Loxx bietet Rhenus erhebliche zusätzliche Potenziale in Osteuropa und insbesondere in Polen. Durch den Zukauf möchten wir unseren europäischen Landverkehr in und aus der Region heraus entwickeln. Die leistungsfähigen Standorte in Polen, die Loxx in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat, passen hier hervorragend zu Rhenus“, erklärt ein Sprecher von Rhenus auf Anfrage von trans aktuell.

Zusammen mit Loxx könnte Rhenus pro Jahr ein Volumen von rund 500.000 Sendungen in Polen transportieren und künftig gemeinsam 14 Distributionsstandorte in allen Teilen des Landes betreiben. Laut dem Logistikdienstleister wäre man dann in der Lage, ein eigenes, unabhängiges Netzwerk in Polen zu betreiben, darin weitere Produkte, Abwicklungsstandards und Informationsverfügbarkeiten zu entwickeln und die Leistungsfähigkeit zu steigern.

Hellmann wird Alleineigner von Hellmann East Europe

Auch das Osnabrücker Unternehmen Hellmann Worldwide Logistics blickt gen Osten und hat Anfang Januar einen Kaufvertrag zur Übernahme aller Anteile an der Hellmann East Europe (HEE) unterzeichnet. Die HEE hat in Deutschland ihren Schwerpunkt auf dem Straßentransport, in den osteuropäischen Ländern (Russland/Baltikum) haben aber auch die Produktbereiche Air und Sea mit 35 bis 40 Prozent einen großen Anteil am Umsatz.

Durch den Kauf der Anteile in Höhe von 49 Prozent, die von den Geschäftsführern Patrick Nathe und Michael Mihm gehalten wurden, wird Hellmann alleiniger Anteilseigner an der HEE mit ihren rund 650 Mitarbeitern. Nach eigenen Angaben schafft das Unternehmen damit die Voraussetzungen, um das operative Geschäft in den neun osteuropäischen Ländern, in denen die HEE über eigene Standorte verfügt, nachhaltig über alle Produktbereiche hinweg auszubauen.

„Der osteuropäische Markt ist für uns von großer strategischer Bedeutung und wir freuen uns, dass wir durch den Erwerb aller Anteile an der HEE den Ausbau unserer Marktposition gemeinsam mit Patrick Nathe als Geschäftsführer und seinem Team weiter vorantreiben können“, sagt Hellmann-CEO Reiner Heiken.

Stabile Transportmengen in Osteuropa

Auf Anfrage von trans aktuell teilt eine Sprecherin des Osnabrücker Unternehmens weiter mit, dass 2020 wegen der Coronapandemie ein schwieriges Jahr im Transportgeschäft mit Osteuropa und Russland/GUS gewesen sei. Für die HEE war 2020 aber insgesamt ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr. Die Mengenentwicklung bei den HEE-Standorten in Deutschland war zwar rückläufig, die Margen hätten sich aber aufgrund des Marktumfeldes positiv entwickelt. In den osteuropäischen Ländern hätten sich die Transportmengen im abgelaufenen Geschäftsjahr hingegen relativ stabil entwickelt; teilweise seien die Importe aufgrund politischer Maßnahmen beziehungsweise Sanktionen von Europa nach Asien, insbesondere China, umgeschichtet worden.

Zu den Wachstumsaussichten befragt, teilt die Unternehmenssprecherin mit, dass der Wirtschaftsraum für die deutsche Industrie nach wie vor attraktiv sei, allerdings unter erschwerten Bedingungen: „Problematisch ist sicherlich, dass die Währungen unter Druck bleiben und damit natürlich auch die Importe teuer bezahlt werden. In einigen Bereichen hat das Embargo dazu geführt, dass Russland Waren selber produziert, wie im Bereich Agrar, und die Importe teilweise in anderen Ländern bezogen werden, etwa in China.“

Für das laufende Jahr erwartet der Osnabrücker Logistiker daher einen Rückgang des Warenaustauschs und entsprechend auch eine Aufwärtsbewegung der Transportpreise.

Erhöhter Aufwand

Ulrich Schröder von Loxx Logistics über derzeitige Transporte nach Osten

trans aktuell: Herr Schröder, wie hat die Coronapandemie die Geschäftstätigkeit 2020 beeinflusst?

Ulrich Schröder: Wir hatten ein sehr gutes erstes. Quartal. Mit Beginn der Coronapandemie gab es jedoch einen phasenweisen Rückgang von 15 bis 20 Prozent; wir konnten jedoch alle Stückgutlinien von und nach Gelsenkirchen europaweit aufrechterhalten. Zum Jahresende gab es eine Erholung und eine Annäherung an die Mengen zu Vor-Corona-Zeiten.

Foto: Loxx-Logistics
Ulrich Schröder, Geschäftsführer von Loxx Logistics.
Gibt es derzeit Hemmnisse bei der Beförderung nach Osteuropa?

Aktuell sind die Ländergrenzen für den Frachtentransport offen und es gibt daher nur bedingte Einschränkungen. Derzeit lässt nur die Mongolei keine „ausländischen“ Lkw ins Land. Allerdings ist der Transport aufwendiger: Es können nur Sendungen geliefert werden, die auch garantiert zugestellt werden können. Dazu müssen Zusagen der Empfänger vorliegen und bestenfalls auch die Telefonnummern. Dadurch haben wir einen erhöhten Abstimmungsaufwand.

Welche Herausforderungen sehen Sie vor allem für den Bereich Logistik in den derzeitigen Handelsbeziehungen Richtung Osten?

Grundsätzlich profitieren wir vom Freihandel innerhalb der EU, aber es gibt in einzelnen Ländern zusätzliche Verfahren, die die Logistikbranche betreffen, wie das elektronische Kontrollsystem EKAER in Ungarn und SENT in Polen. Das führt zu einem erhöhten Aufwand beim Warentransport. Bei den Russlandverkehren beeinflussen Sanktionen seitens der EU und das russische Embargo für Lebensmittel aus der EU die wirtschaftlichen Beziehungen.

Loxx hat sich der Initiative Lissabon-Wladiwostok angeschlossen, die sich für eine Harmonisierung der Zoll- und Steuergesetze zwischen Europa und dem Osten einsetzt. Welche Ziele verbinden Sie mit der Beteiligung?

Eine Vereinfachung von Zollverfahren und technischen Regulierungen sowie eine Förderung der länderübergreifenden Mobilität. Vereinfachte Rahmenbedingungen würden meiner Meinung nach den Warentransport ankurbeln und deutschen Logistikunternehmen neue Perspektiven aufzeigen. Mit Blick auf das neue Freihandelsabkommen ASEAN zwischen China und 14 asiatisch-pazifischen Staaten würde zudem ein gemeinsamer Wirtschaftsraum zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion den hiesigen Markt stärken.

Welches wirtschaftliche Wachstumspotenzial hat Ihrer Meinung nach der Osten in den kommenden Jahren für deutsche Unternehmen parat?

Die Coronakrise hat etwa mit Blick auf Pharmazeutika gezeigt, dass es wichtig ist, dass Produktionsstätten auch wieder in Europa vertreten sein sollten, zum Beispiel in Ost- beziehungsweise Mitteleuropa. Zudem sind die Frachtkosten für den Seetransport deutlich gestiegen, was ein weiteres Argument für die Verlagerung von Produktionsstätten, für mehr Local Sourcing und eine Reduktion der globalen Beschaffung ist.

Zur Person

  • Ulrich Schröder ist seit 2015 Geschäftsführer Loxx Logistics
  • Er arbeitet seit 1991 bei Loxx, seit 1997 hat er Prokura
  • Der gelernte Speditionskaufmann absolvierte berufsbegleitend ein Betriebswirtschaftsstudium an der Wirtschaftsfachschule Duisburg

Die Initiative

  • Die Initiative Lissabon-Wladiwostok macht sich seit 2015 für eine Harmonisierung der Zoll- und Steuergesetze und der technischen Vorschriften zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und der Europäischen Union stark
  • Zudem setzt sie sich für eine Entwicklung von Logistik und Infrastruktur sowie eine Visaliberalisierung zwischen den Ländern der EU und der EAWU ein
  • Unterstützer der Initiative sind rund 100 Organisationen und Unternehmen aus zwölf Ländern; Logistiker, die sich beteiligen, sind Rhenus, Hellmann, Kühne + Nagel, Gebrüder Weiss, C.Spaarmann

„Lieferketten absichern“

Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, über die Bedeutung Mittel- und Osteuropas für die deutsche Wirtschaft

trans aktuell: Herr Harms, wie haben die Märkte in Osteuropa 2020 abgeschlossen?

Michael Harms: 2020 dürfte das Wachstum in der Region um vier bis fünf Prozent eingebrochen sein. Die konjunkturellen Auswirkungen des Lockdowns, die Schließung von Grenzen und Werken, Einreisebeschränkungen und unterbrochene Lieferketten haben vor allem im Frühjahr 2020 Spuren im deutschen Handel mit der Region hinterlassen. Mit einem soliden Ergebnis im zweiten Halbjahr konnte der deutsche Osthandel seit dem Sommer die Corona-bedingten Rückstände aber bereits etwas aufholen. Die deutschen Ausfuhren in die 29 Partnerländer des Ost-Ausschusses gingen in den ersten zehn Monaten 2020 um neun Prozent zurück, die Einfuhren um elf Prozent. Für 2021 erwarten die Analysten eine konjunkturelle Erholung mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von drei bis 3,5 Prozent, deren Tempo natürlich stark von der Pandemieentwicklung abhängt.

Foto: Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.
Wie wichtig ist die Region Mittel- und Osteuropa für die deutsche Wirtschaft?

Die Zielregion Mittel- und Osteuropa wird weiter an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gewinnen wird. Die Region steht bereits heute für 19 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels, das ist mehr als mit China und den USA zusammen. Insbesondere mit Mittelosteuropa ist die deutsche Industrie über gemeinsame Wertschöpfungsketten bereits eng verflochten. Polen und Ungarn etwa zählten bis zur Corona-Pandemie zu den dynamischsten Wachstumsmärkten in der EU. Beide Länder sind wichtige Innovationspartner für die deutsche Wirtschaft. Im Zuge der Corona-Pandemie unterziehen viele Unternehmen ihre internationalen Lieferketten einer Prüfung, wovon die osteuropäischen Standorte künftig profitieren könnten.

Welche Branchen haben Ihrer Ansicht nach die größten Wachstumspotenziale?

Bei den deutschen Exporten in fast alle Länder der Region stehen Maschinen, Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile sowie chemische Erzeugnisse an erster Stelle. Künftig erwarten wir, dass insbesondere der grüne und digitale Umbau in der EU, aber auch in den östlichen Nachbarländern erhebliche Marktchancen für die deutsche Wirtschaft eröffnet. Im 750 Milliarden Euro schweren europäischen „Recovery“-Programm spielt ja die doppelte grüne und digitale Wende eine wichtige Rolle. Noch erfolgreicher werden wir sein, wenn wir bei diesen großen Zukunftsthemen auch unsere osteuropäischen Nachbarn - die Länder des Westlichen Balkans, die Staaten der Östlichen Partnerschaft und die Eurasische Wirtschaftsunion - mit einbeziehen. Die Corona-Pandemie hat zudem die strategische Bedeutung des Gesundheitswesens für wirtschaftliche und politische Resilienz deutlich gemacht, was auch in Osteuropa zu Bestrebungen nach nachhaltiger Stärkung der Branche und mehr Investitionen geführt hat.

Wie steht es mit Russland?

Gerade auch Russland bleibt für deutsche Unternehmen ein aussichtsreicher Wachstumsmarkt bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder dem klimaschonenden Umbau der Energiewirtschaft. Das zweifellos noch bestehende Modernisierungsdefizit in Russland eröffnet ja gleichzeitig die Chance, mit deutscher und europäischer Technologie die Effizienz der russischen Wirtschaft zu steigern. Im Dezember haben wir das deutsch-russische Themenjahr für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung eröffnet, das der Ost-Ausschuss von deutscher Seite federführend betreut und von dem wir uns bis 2022 einen Schub für gemeinsame Projekte etwa im Klimaschutz und der Digitalisierung erhoffen.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für den Logistiksektor?

Die wichtigste Aufgabe im Logistikbereich besteht 2021 darin, die Resilienz der Lieferketten abzusichern. Auch der Ausbau der nichtmaritimen Transportwege nach Osten, insbesondere aus und nach China, bleibt sowohl Chance als auch Herausforderung. Und nicht zu vergessen die Digitalisierung der Logistik, die auch in Osteuropa voranschreitet. Wir wollen als Ost-Ausschuss in engem Schulterschluss mit den Logistikunternehmen die Herausforderungen mit den osteuropäischen Partnerländern politisch begleiten und Lösungen befördern. Das ist die Aufgabe unseres Arbeitskreis Logistik und Verkehrsinfrastruktur, der von Prof. Peer Witten von der Otto Group geleitet wird.

Zur Person

  • Michael Harms ist seit April 2016 Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft
  • Die Organisation hat sich die Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Staaten Mittel- und Osteuropas, Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens zum Ziel gesetzt.
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