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trans aktuell-Symposium Neue Anforderungen und neue Chancen

Foto: Havi Logistics

Teil 2 des trans aktuell-Symposium zu Lieferketten im Fokus: Nachhaltigkeit als Herausforderung und Regionalität als Chance.

Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie und die Lieferkettenkrise verändern die Wirtschaft und stellen neue Anforderungen an den Logistikservice – mit entsprechenden Folgen für die Transport- und Logistikdienstleister, wie Prof. Dirk Lohre vom Studiengang Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik der Hochschule Heilbronn beim trans aktuell-Webinar zu Lieferketten aufzeigte: „Wir haben eine Zeit der Umbrüche und Veränderungen“, sagte er.

In Konkurrenz zu Gorilla und Flink

Diese wirken sich massiv auf die verschiedenen Lieferaspekte aus, auf die Kunden Wert legen – wie Lieferzeit, Zuverlässigkeit, Beschaffenheit und Flexibilität. Die Ansprüche der Kunden an diese Faktoren stünden gleichzeitig im Konflikt mit dem Wachstum der neuen Schnelllieferdienste wie Gorilla oder Flink mit ihren Zehn-Minuten-Lieferversprechen und einem zwangsläufig reduzierten Warensortiment.

Auch der zunehmende Kundenwunsch nach mehr Nachhaltigkeit stelle die Branchenunternehmen vor Herausforderungen, seien doch die CO2-Einspar-Möglichkeiten mittels eines Effizienzgewinns weitestgehend ausgeschöpft. Neue Möglichkeiten biete die ISO-Norm 14083 zur Normierung von Emissionsberechnungen, die 2022 komme und eine einheitliche CO2-Berechnung entlang der Transportketten vorsieht. Laut Lohre können Dienstleister und Kunden auf diesem Wege Emissionen erheben und auch gemeinsam kompensieren. Leider gebe es aber in Bezug auf alternative Antriebe noch zu viele offene Fragen, nicht nur zur Fahrzeugwahl, sondern auch zur Infrastruktur: Wie viel Fläche muss in einem Depot künftig für Ladestellen etwa zur Verfügung gestellt werden?

Eines sei immerhin den meisten klar: dass auch soziale Gesichtspunkte unter dem Stichwort Nachhaltigkeit verbessert werden müssten, ganz konkret die Situation der Lkw-Fahrer. Dies nehme auch an Bedeutung für die Kunden zu.

Ratlos bei Digitalisierung

Ratlos seien manche Branchenunternehmen noch in Bezug auf die eigene Aufstellung in puncto Digitalisierung, die gleichermaßen Chance und Bedrohung sei. Zwar mache die Digitalisierung auch die Steuerung von Großflotten wie Girteka möglich, aber sie unterstütze auch Mittelständler, wenn diese sich im Rahmen von Kooperationen untereinander vernetzten. Die Digitalisierung helfe demnach auch, den zunehmenden Wunsch der Kunden nach mehr Transparenz entlang der Lieferkette zu erfüllen.

Ein Aspekt, mit dem sich Unternehmen künftig ebenfalls mehr beschäftigen, sei die Bewältigung der steigenden Volatilität, vor allem in Bezug auf die Vorplanung von Kapazitäten. „Die Herausforderung wird sein, in Zukunft Muster zu erkennen, sodass Kosten und Prozesse nicht leiden.“

Ein Thema, dass die Logistik auch in den kommenden Jahren beschäftige, sei das 2021 in Kraft getretene Lieferketten- und Sorgfaltspflichtengesetz, sagte Ralf Düster, Vorstand des Plattform- und Softwareentwicklers Setlog. Denn während Unternehmen sich vor allem mit dem zunehmenden globalen Wettbewerb und Preisdruck konfrontiert sehen, wollen die Verbraucher auch wissen, wie und wo die Artikel hergestellt werden. Das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) steht also auch bei der Lieferkette zunehmend im Vordergrund. „Auch Discounter verlangen von ihren Lieferanten Transparenz – inklusive der Logistik“.

Foto: Daniela Dihlmann
Die Referenten des zweiten Symposiumsteils (v.li.oben): Torsten Oldhues, Ralf Düster, Prof. Dirk Lohre, Matthias König.

EU-Lieferkettengesetz

Aber nicht nur das: Laut Düster bereitet die EU einen schärferen Ansatz vor, für den jetzt ein aktueller EU-Kommissions-Entwurf vorliege, inklusive Hinzunahme umweltrechtlicher Risiken in der Lieferkette. Betroffen sind dann nicht nur Unternehmen ab einer gewissen Größe, sondern auch mittelständische Unternehmen.

Compliance in der Lieferkette erreichen – Düster verwies hierfür auf ein Dreisäulenmodell von Setlog, das bei einer kollaborativen Supply-Chain anfängt – inklusive aller Logistikbeteiligten, 3PL-Anbieter, Lagerdienstleister, Transportunternehmen –, über die Strukturierung der Partner geht und als dritte Säule ein digitales Liefernetz mit einem digitalen Kern vorsieht, auf den alle Parteien zugreifen können.

Zugriff auf alle Kundendaten

Zugriff auf alle Daten ist auch ein Teil des Erfolgsgeheimnisses der langjährigen Kundenbeziehung zwischen Havi Logistics und McDonald’s, wie Torsten Oldhues, Geschäftsführer Operations, berichtete. Dabei übernimmt Havi für den Fast-Food-Riesen das komplette Supply-Chain-Management von den Lieferanten bis in die Restaurants, und das von Europa bis nach Asien. Prämisse ist dabei die Sicherstellung der Warenverfügbarkeit bei niedrigem Bestandsniveau entlang der gesamten Supply-Chain.

Im ersten Schritt mache Havi seinem Kunden einen Bestellvorschlag, der sich nach dem Bedarf des einzelnen Restaurants richte, erklärte Oldhues. Dafür greift der Logistikdienstleister auf eine Vielzahl an Daten zurück. Täglich würden etwa Daten zu den Verkaufszahlen der McDonald’s-Standorte an Havi überspielt – „wir wissen somit genau, was über die Verkaufstresen gegangen ist“, sagt Oldhues. Auch Daten zum Materialstamm und Inventurdaten werden tagesaktuell übermittelt.

Bestellvorschlag für jede Filiale

Auch Prognosen fließen in den Bestellvorschlag mit ein, auf Basis der vergangenen zwei bis drei Jahre in der Historie der Verkaufsprodukte, sowie lokale Events und Promotionen. Daraus ergibt sich eine Prognose für jedes Verkaufsprodukt – Havi kann dabei nicht nur prognostizieren, wie viele Big Macs ein Restaurant verkaufen wird, sondern auch, wie viele Scheiben Käse an dem Tag gebraucht werden. Diese Zahlen werden per Rezept auf das Level der Versandeinheit (VE) umgerechnet. Die Kalkulation der Liefermengen basiert dann auf dem Prognose-Ergebnis, der Rezeptur, der VE-Größe und dem aktuellem Bestand.

Diesen Bestellvorschlag kann der Kunde korrigieren, in den meisten Fällen übernimmt er ihn aber gleich. Der nächste Schritt erfolgt dann bereits im Havi-Distributionscenter, wo gemäß den Lieferdaten die Transport- und Schichtplanung sowie die Planung von Kommissionier- und Pick-Reihenfolge erfolgt. 1.500 Lieferstellen beliefert Havi nach Angaben von Oldhues regelmäßig, die meisten Restaurants erhalten drei- bis viermal pro Woche Ware in drei Temperaturzonen. Dass Havi dabei mit seiner Steuerung richtig liegt, beweist laut Oldhues eine Prognosegenauigkeit von 98 Prozent.

Regionalisierte Lieferkette

„Regionalität“ ist in Bezug auf die Lieferkette ein oft genanntes Stichwort – und auch für den Anbieter von Ladegutsicherungen Allsafe ein wichtiges Thema. „Auch wir sind davon abhängig, dass die Logistik die Komponenten für unsere Teile rechtzeitig liefert“, sagte Allsafe-Produktmanager Matthias König bei der Onlineveranstaltung. Das herstellende Unternehmen aus Engen kauft für seine Produkte in vielen Ländern der Welt zu und hatte sich dennoch entschlossen, die Lieferkette zu regionalisieren.

„Das war eine unternehmensstrategische Entscheidung, die unseren Claim ‚Made in Germany‘ und auch unseren Qualitätsanspruch unterstützt“, sagte König. Gleichzeitig sei die Versorgung durch die kürzeren Transportstrecken gesichert. Ebenso wichtig war das Kostensenkungsziel, das laut König auch erreicht wurde. Mehr noch: Nach dem ersten Lockdown in der Coronapandemie sei Allsafe im Vergleich zu vielen anderen sofort lieferfähig gewesen, manche Kunden seien aus diesem Grund sogar wieder zurückgekommen.

Die Regionalisierungs-Strategie von Allsafe ruht demnach auf drei Säulen. Die erste ist die TCO-Betrachtung bei der Zielkostenermittlung, und zwar inklusiver aller Kosten; etwa auch für aufwendige Kommunikation, Bestellabwicklung und Serienbetreuung.

Supply-Chain-Strukturen bringen verbesserte Qualität

Zweite Säule ist die Betrachtung des internen Supply-Chain-Managements, also die Vernetzung zwischen Lieferanten, Allsafe und Kunden. Das führte zu neuen Rahmenverträgen, kleineren, aber passenden Lieferlosen und einer geringeren Zahl von Lieferanten, die aber bessere Arbeit ablieferten. „So haben wir einen hohen Standard erreicht, sowohl was die Verfügbarkeit als auch was die Qualität betrifft, und die Möglichkeit zum Eingreifen geschaffen“, sagte König.

Dritte Säule war die Schaffung neuer Produktkomponenten, also das Reengineering, um die Vorteile der Regionalisierung voll auszunutzen. Durch die Verlagerung nach Europa können laut König etwa ganz andere Materialien und Technologien gewählt werden – „das erlaubt es uns zum Beispiel, für den gleichen Preis bessere Verfahren zu wählen, etwa Feinguss statt Schmieden“. Allsafe setzte im Zuge dessen auch auf ein Baukastensystem, also auf die Verwendung eines Teils für verschiedene Systeme, um die Zahl der Teile geringer zu halten – was wiederum eine sehr genaue Kommissionierung voraussetzt.

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