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Terminalnetz von Cargobeamer wächst Der Straße Paroli bieten

Cargobeamer Foto: Cargobeamer

Cargobeamer-Vorstandsmitglied Nicolas Albrecht über neue Verbindungen und Wachstumspläne Richtung Osten.

trans aktuell: Herr Albrecht, gute Nachrichten von Cargobeamer – es gibt bald eine neue Relation zwischen Duisburg und dem polnischen Poznan

Albrecht: Richtig. Die Relation ist das erste Gemeinschaftsprojekt mit unserem neuen strategischen Partner und Stakeholder Duisport. Wir starten Anfang Juni mit sechs Rundläufen pro Woche, mit den klassischen Doppeltaschenwagen und unserer Cargobeamer-Waggontechnologie.

Wieso ist die Relation für Cargobeamer interessant?

Wir glauben an ein sehr großes Wachstumspotenzial auf der Ost-West-Achse – Polen ist einer der größten Märkte für Deutschland im Osten, Poznan ist das zweitgrößte Ballungszentrum im Land. Die Verbindung ist daher für uns der richtige Weg, in diesen Markt einzusteigen. Zudem können wir uns gut ein Dreieck mit unserem im Entstehen begriffenen Terminal Calais und unserem Standort Kaldenkirchen vorstellen.

Planen Sie auch die Verbindung weiter in den Osten?

Perspektivisch wird das sicher ein Thema werden – 2020 haben wir ja erfolgreich einige Testzüge nach Litauen durchgeführt, auch diese Routenoption spielt in unseren Überlegungen weiter eine Rolle.

Cargobeamer Foto: Joerg Riethausen
Cargobeamer-Vorstandsmitglied Nicolas Albrecht.
Warum haben Sie daraus nicht ein Angebot gemacht?

Weil wir damals noch das Problem der Waggonanzahl hatten: Für ein Angebot auf dieser Strecke braucht es tägliche Abfahrten, da sind die langen Transitzeiten schwierig. Diesen Knoten lösen wir aber jetzt auf, indem wir dieses Jahr die Zahl unserer Waggons insgesamt vervierfachen und auch in Zukunft erheblich steigern werden.

Wäre Litauen damit wieder im Gespräch? Und wie sieht es mit Russland aus?

Eventuell 2022. Auch die Verbindung nach Russland und weiter nach China halten wir für interessant und streben deshalb eine Zulassung unserer Waggons auch für diese Länder an. Dafür wäre dann natürlich Litauen ideal, weil hier der Wechsel der Spurbreiten erfolgt. Hier könnte die Cargobeamer-Technik am besten ausgespielt werden – mit uns braucht es nur eine Stunde, um einen kompletten Zug von der europäischen auf die russische Spurbreite umzuladen.

Wie kommen die Arbeiten am ersten Cargobeamer-Terminal in Calais voran?

Im Sommer startet dort der reguläre Betrieb von Zügen mit Cargobeamer-Technologie und einem digitalen und komplett automatisierten Umschlag. Wir planen außerdem, neben unserer Stammstrecke Kaldenkirchen–Domodossola, die sukzessiv kommenden neuen Waggons zwischen Calais und Perpignan einzusetzen und somit eine zweite Stammstrecke zu schaffen. Und mit dem neuen Terminal Domodossola können wir ab dem vierten Quartal Calais–Domodossola anbieten. Zu diesen drei Kernrouten, die wir allein anbieten, kommt Duisburg–Poznan im Rahmen der Kooperation mit Duisport hinzu. Wir arbeiten außerdem gerade an zwei bis drei weiteren Verbindungen, die eher strategische Markeintrittsrouten werden sollen.

Welche Features hat das erste Cargobeamer-Terminal und wie viel Kapazität hat es?

Im Vergleich zu anderen Terminals reichen uns kürzere Gleise – durch den Einsatz von Doppelgatemodulen können wir einen 800 Meter langen Zug in zwei Zughälften teilen und beide Teile parallel be- oder entladen. In der ersten Ausbaustufe können wir sechs, bald sogar bis zu zwölf Zugpaare am Tag bearbeiten, das sind 870 Trailer am Tag, im Jahr über 200.000 Umschläge.

Erwarten Sie vom Brexit zusätzliches Aufkommen?

Ja, der Brexit bietet für den Kombinierten Verkehr eine Chance, nicht nur für mehr Aufkommen, sondern auch im Hinblick auf unseren Standort in Calais. Für unsere Kunden bieten wir beispielsweise einen direkten Shuttle von unbegleiteten Verkehren zum Eurotunnel. Als Folge des Brexits gibt es außerdem einige neue Fährangebote für unbegleitete Verkehre. Auch die weitere Entwicklung des irischen Marktes – mit Umgehung des britischen Landweges – verfolgen wir mit Interesse.

Wie viel hat Cargobeamer in Calais investiert und werden die geplanten neuen Terminals in Domodossola und Kaldenkirchen ähnlich sein?

Da Calais ein Greenfield-Grundstück war, kostet die Erstellung in der ersten Ausbaustufe rund 30 Millionen Euro. Wir sind glücklicherweise nach zehn Monaten Bauzeit trotz Corona planmäßig im Budget und in der Zeit. Bei den geplanten nächsten Terminals gibt es Bestandsinfrastruktur, daher besteht ein geringerer Investitionsbedarf. Die modulare Bauweise kommt aber auch hier zum Tragen.

Terminalerfahrung hat Cargobeamer auch mit Volkswagen gesammelt. Was war der Grund, warum dies nicht dauerhaft zum Tragen kam?

Im Mittelpunkt stand dabei die Erprobung der Technik für einen limitierten Zeitraum auf einer nur temporär verfügbaren Fläche. Wir hatten nach dem Test ein ausreichend großes Selbstbewusstsein, um die Technologie in größeren und öffentlich zugänglichen Terminals einzusetzen. Unser jetziger Ansatz ist, dass die Wertschöpfung aus einer Hand erfolgen soll – von der Entwicklung der Waggons über den Vertrieb bis zum Terminal- und Zugbetrieb –, um die richtige Qualität sicherzustellen.

Damit die Verlagerung auf die Schiene gelingt – was braucht es?

Zwei Themen sehen wir da: Es muss die größtmögliche Kompatibilität mit dem Markt geben, und der hat eben mehrheitlich keine bahnfähigen Trailer im Einsatz. Und selbst wenn es genug bahnfähige Trailer gäbe – die aktuell angewendeten Technologien wie Reachstacker und konventionelle Kranterminals sind veraltet und zu langsam, die Terminals voll, es gibt nicht genügend Kapazitäten und damit auch nicht genügend Einstiegspunkte. Über die Cargobeamer-Technik kann jeder zum Bahnkunden werden, zudem ist die Umschlagskapazität im Terminal bis zu viermal höher. Unsere Vision ist ein europaweites Terminal-Netzwerk. Ziel muss doch sein, im Schienengüterverkehr die gleichen Volumina zu transportieren wie auf der Straße – dazu muss es aber auf der Schiene laufen wie im Passagierverkehr: ein gutes Produkt, eine mit der Straße vergleichbare Preisbilanz, so viele Abfahrten auf einer Strecke wie möglich – kurzum: ein attraktives Angebot.

Inwiefern hilft die Digitalisierung?

Wir haben eine eigene E-Logistik-Plattform entwickelt, über die etwa auch die Buchung läuft, alle anderen wichtigen Prozesse wie Rechnungsstellung und AGBs sind ebenfalls digitalisiert. Als nächsten Schritt digitalisieren wir alle Schnittstellen zu den Terminals, sodass auch hier die Prozesse sichtbar werden, etwa wo die Trailer parken. Auch der Check-in und die Messung des Trailers erfolgen dann digital.

Letztlich entscheidet doch aber oft auch der Preis über eine Verlagerung, oder?

Durchaus. Entscheidend ist daher auch eine Senkung der Trassenpreise, wie sie jetzt in Aussicht steht, sowie ein guter Preis durch die Traktionäre – das kommt auch der Nachfrage der Verlader zugute, die von den Logistikdienstleistern zunehmend nachhaltige Transportketten verlangen. Bei den Terminalkosten zählt zudem der Faktor Schnelligkeit. Mit unseren eigenen Terminals können wir daher eine sehr hohe Auslastung erreichen, was die Kosten pro Hub nach unten bringt. Und natürlich gilt: Mehr Angebote bedeuten geringere Stückkosten.

Die Konkurrenz auf der Straße profitiert auch von Fördermaßnahmen. Macht einen das als Schienenbeteiligten nicht wütend?

Klar ist, dass die Schienengüterverkehre den Machtanspruch der Straße infrage stellen müssen. Nicht etwa auch durch einen Förderhochlauf, sondern durch bessere Angebote mit kurzen Umschlagzeiten. Die Straße hat ja jetzt schon Probleme – die Auslastung der Autobahnen ist am Anschlag. Will der Verkehrssektor seine Klimaziele erreichen, bedarf es einer Verdreifachung des Kombinierten Verkehrs bis 2030. Die Schiene ist der einzige Weg, die großen Gütermengen nachhaltig zu transportieren. Wir von Cargobeamer können den Bedarf über ein effizientes Netzwerk bedienen, und wir betreiben den Schienengüterverkehr dabei schon zu 97 Prozent autonom.

Zur Person

  • Nicolas Albrecht ist seit Januar 2020 Chief Business Development Officer und Vorstandsmitglied bei Cargobeamer
  • Er ist verantwortlich für internationale Geschäftsentwicklung, strategische Partnerschaften, Operations und Vertrieb
  • Vor seiner Tätigkeit bei Cargobeamer war er bei dem Schweizer Rohstoffkonzern Glencore kontinentaler Leiter für Südamerika, davor Unternehmensberater im Logistik- und Rohstoffbereich bei der Boston Consulting Group in München
  • Albrecht hat einen Studienabschluss in Economics an der Stanford University (USA)

Das Unternehmen

  • Cargobeamer mit Sitz in Leipzig hat ein horizontales Ladesystem entwickelt, mit dem Sattelauflieger am Kombinierten Verkehr (KV) teilnehmen können
  • Das Unternehmen baut ein eigenes Routen- und Terminalnetzwerk auf. Standorte sind Calais und Perpignan (beide Frankreich), Domodossola (Italien), Kaldenkirchen und Poznan (Polen)
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