Spiegelkameras Optimierung des bestehenden Systems

Jans Blog Mirror Cam Foto: Daimler Truck 5 Bilder
Meinung

Anfang Juni hat Daimler Truck in Wörth ein Update der MirrorCam vorgestellt, das häufige Kritikpunkte von Fahrern und Unternehmern berücksichtigt hat. Eine Umrüstung auf ältere Fahrzeuge ist aber vorerst nicht vorgesehen.

Es war bereits im Frühjahr 2019, als ich auf einer Fahrt von Barcelona nach Wörth das innovative System der MirrorCams im damals neuen Actros kennenlernen konnte und darüber in meinem Blog-Artikel „Assistierte Rücksicht“ berichtet habe. Gut, die Strecke ging zwei Tage ausschließlich über Autobahnen und das bei kontinuierlich scheinender Sonne. Mit an Bord als offizieller Begleiter war damals auch Dirk Stranz, seit 2009 Entwicklungsingenieur bei Daimler Truck in Wörth, der uns Journalisten über die Phase der Entwicklung zusammen mit Mekra Lang berichtete, gegen die allerseits befürchtete Gefahr eines Schadens an den Kameraarmen durch entgegenkommende Lkw beruhigte oder uns vor allem die Sorge um einen Totalausfall der Elektronik nahm. Ich jedenfalls hatte mich schnell an die MirrorCams gewöhnt, die ja auch die Grundlage sind für die aktive Sicherheit auf der rechten Seite des Lkw und die daraus entstandene Verbesserung des späteren Active Sideguard Assist, den ich im vergangenen Jahr bei Overnight in Osnabrück spontan auf dem Firmengelände testen konnte.

Pro und Contra bei Fahrern und Unternehmern

Mittlerweile sind drei Jahre ins Land gegangen. Und obwohl Daimler Truck nach wie vor keine konkreten Zahlen nennt, wie viele Kunden europaweit die Fahrzeuge der Baureihe Actros und Arocs als Serie mit der MirrorCam bis heute ausgeliefert bekommen haben und wie viele weiter den klassischen Spiegel bestellen, sind die Fahrerhäuser mit den beiden Kameraarmen über den Türen aus dem Straßenverkehr nicht mehr wegzudenken. Sie werfen auch keine Fragen mehr auf, was denn da gerade auf der Gegenspur vorbeigekommen ist. Da ich aber seither immer wieder in Kontakt mit Fahrern und ihren Unternehmern bin, die mir ihre höchst unterschiedlichen Erfahrungen mit dem revolutionären Spiegelersatzsystem geschildert haben, stelle ich hier einige der persönlichen Eindrücke von vier Fahrern im Vorfeld zur 84. Sendung von FERNFAHRER LIVE am 9. Juni ab 17 Uhr (siehe Terminhinweis) zusammen. Im ausführlichen Trailer dieser Sendung beschreibt unser Gast, Dirk Stranz, wie Daimler Truck mittlerweile im Rahmen eines am 4. Juni in Wörth vorgestellten Updates reagiert hat. „Es handelt sich um eine Optimierung des bestehenden Systems“, so Stranz, „bei dem wir den Fahrern, von denen viele natürlich auch weiter Umsteiger sind, ein Bild bieten, das möglichst nah am Glasspiegel ist.“

Andreas Gruber von Glomb aus Bremerhaven

Andreas Gruber habe ich im Rahmen einer Reportage über Glomb im FERNFAHRER in Bremerhaven kennengelernt. Er hatte 2019 eines der ersten Fahrzeuge mit der MirrorCam übernommen und ist seither mit dem Fahrzeug im Fernverkehr unterwegs gewesen „Die Vorteile liegen klar beim Abbiegen“, schreibt er mir, „da die Monitore die Sicht zur Seite nicht verdecken wie ein Spiegel und man mehr sehen kann. Bei Regen hat man immer eine gute Sicht gehabt und ich konnte immer gut sehen, was von hinten passiert. Was ich jedoch persönlich als Nachteil empfunden habe, war, dass ich nicht gerade an Rampen fahren konnte, weil man auf dem Bildschirm beim Rückwärtsfahren wie in einen Trichter gefahren ist. Da ich auch immer unterschiedliche Rampen hatte, passte es auch nicht immer mit der entsprechenden Distanz zur Rampe. Und da ich ja Seecontainer fahre und mit meinem Multichassis immer unterschiedliche Containergrößen fahre, musste ich immer die Länge nach hinten neu einstellen.

Was mich auch gestört hat, war, wenn von hinten etwas mit LED-Licht angefahren kam oder man Schilderbrücken hatte, die mit LED ausgerichtet sind. Dann hat alles im Display geflackert und man konnte selbst da nicht unterscheiden, was es von hinten war oder was da kam. Es hätten auch Einsatzfahrzeuge seien können, die man da nicht einwandfrei zuordnen konnte, da alles gleich aussah. Ich persönlich fühle mich in meinem neuen Lkw mit Spiegel, den ich seit 2021 wieder fahre, besser und sicherer.“

Jürgen Franz von Heba Transport aus Kaufbeuren

Jürgen Franz pendelt mit seinem Schubbodenzug in der Regel zwischen Bayern und Berlin und engagiert sich seit dem letzten Sommer in der Flutopferhilfe im Ahrtal, wo auch das Foto in Dernau entstanden ist. Er kann über keine großen Probleme berichten und sieht sich als Befürworter der MirrorCams. „Die beiden Linsen der Kameras lassen sich einfach reinigen“, lobt er, „wobei die rechte Kamera aus welchen Gründen auch immer bei meinem Actros nie verschmutzt. Das Mitschwenken bei Kurvenfahrten finde ich optimal, ebenso die Linien für den Abstand nach hinten. Drei gelbe Linien zeigen jeweils 50 Meter Abstand an. Die blaue Linie zeigt, wenn sie richtig kalibriert wurde, genau das Ende des Fahrzeugs an. Das ist perfekt fürs Einparken oder um an die Rampe anzusetzen. Ich muss mit dem Schubboden wirklich selten an Rampen, aber wenn, dann geht es wirklich butterweich, ohne dagegen zu knallen. Auch bei geöffneten Türen bleibt der Blick nach hinten. Der einzige Nachteil des Systems: Ich kann mich nicht mehr im Außenspiegel rasieren.“

Frank Kirch von DB Schenker aus Langenhagen

Frank Kirch, darüber habe ich mehrfach berichtet, ist gelernter Berufskraftfahrer und mehr oder weniger seit mehr als 35 Jahren bei DB Schenker in Langenhagen und deren ehemaligen und nach und nach integrierten Firmen beschäftigt. Mit seinem weißen Gliederzug pendelt der bekennende Kilometermillionär zwischen Langenhagen und Ost- sowie Süddeutschland. Er ist nach wie vor überzeugter Spiegel-Fahrer, konnte allerdings für zwölf Wochen Erfahrungen auf einem Actros mit MirrorCams machen. „Die MirrorCam gibt nicht das Naturbild des Spiegels wieder“, sagt er, „das Kamerabild ist verzerrt. Dazu kann man die Geschwindigkeit von heranfahren Pkw überhaupt nicht einschätzen, bei Regen hat man links ein doch sehr schlechtes Sichtfeld auf dem Monitor. Und wenn man an die Rampe fährt, steht man an einer Seite schief und auf der anderen grade. Ich hatte mit der MirrorCam wirklich keinen Fahrspaß. Der kam erst wieder, als ich meinen aktuellen Actros mit den Spiegeln bekam.“

Franco Fillipone von Schuon aus Haiterbach

„Das Positive überwiegt“, sagt Franco Fillipone, der für Schuon aus Haiterbach jede Woche nach Italien fährt, „ein Nachteil ist die Tropfenbildung bei Regen an der Kamera auf der Fahrerseite. Ich kann auch schlecht die Handzeichen erkennen, wenn ich irgendwo bei einem Kunden eingewiesen werde. Was mich am meisten stört, ist die Fleckenbildung auf dem Display. Ich habe noch kein zufriedenstellendes Mittel zur Reinigung des Displays gefunden. Was mir gut gefällt ist das Rangieren rückwärts über die rechte Kamera, da das Display automatisch vom kleinen auf den großen Ausschnitt wechselt. Auch in Kurvenfahrten hat man den Anhänger immer unter Kontrolle, ich habe auch den Eindruck, dass sich der tote Winkel verringert hat. Trotzdem ist ein Toter Winkel nach meiner Einschätzung immer noch vorhanden.“

Kritik eines Fuhrparkleiters wegen eines technischen Ausfalls

Zurück zum Versprechen aus meinem obigen Blog-Artikel, dass technische Ausfälle eigentlich nicht vorgesehen sind. Doch Timo Schmidt, Fuhrparkleiter von Glomb in Bremerhaven, hat hier sehr schlechte Erfahrungen gemacht, wie er mir geschrieben hat. 2019 hat Glomb drei Actros mit MirrorCams erhalten. Seither hat Schmidt keine weiteren wegen schlechter Erfahrungen bestellt. Die Kritikpunkte der Fahrer sind hier kurz zusammengefasst. „Sehr schlechte Sicht bei Rückwärtsfahrten in der Dunkelheit. Selbst erfahrene Kraftfahrer benötigten lange Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Fahrbahnmarkierungen, besonders gelbe in Baustellen, waren bei Dunkelheit nicht in der Cam zu sehen. Extremes Flackern im Display durch Scheinwerfer zurückliegender Fahrzeuge. Bei einem Fahrer hat sich Feuchtigkeit von innen am Glas abgesetzt, somit fast keine Sicht. Auch Tropfen/Feuchtigkeit auf der Cam sorgen immer wieder für Probleme.“

Schwerwiegender ist seine Schilderung, was die Fuhrparkleitung zu bemängeln hatte. „Ein Lkw ist mit defekter Cam ausgefallen“, so Schmidt. „Ersatzteile waren erst Monate später lieferbar. Somit war der Lkw nicht einsetzbar, dadurch sind uns hohe Kosten entstanden. Es gibt kein ausreichendes Notfallsystem. Ein Notspiegel, der nicht zur Fahrzeugausstattung gehört, wird lediglich mit Saugnäpfen am Seitenfenster befestigt und darf nur für die Fahrt in die Werkstatt genutzt werden. Selbst die ortsansässige Werkstatt hatte damals keinen solchen Notspiegel. Nach einer Gesprächsrunde mit dem regionalen Verkaufsleiter und Drängen unsererseits gab es tatsächlich ein Entgegenkommen, was aber leider nicht annährend den Verdienstausfall deckte.“

Probleme im Baustellenverkehr

Auch Timo Sauerbaum vom gleichnamigen Transportunternehmen aus Essen hatte vier Fahrzeuge mit einer MirrorCam im Fuhrpark, über die er sich schon anlässlich meines Besuchs kritisch äußerte. Nun hat er die Punkte für meinen Blog noch einmal herausgestellt. „Unsere Fahrer haben sich am meisten über die schlechte Bildqualität auf den Bildschirmen beschwert“, so Sauerbaums Fazit. „Bei schlechtem Wetter, also Regen, Schnee und Sturm, ist es schwer zu erkennen, was sich seitlich am Fahrzeug oder dahinter befindet, man kann einfach nichts vernünftig erkennen. Außerdem fällt es unseren Fahrern schwer, bei Baustellen grade im Dunkeln mit der MirrorCam zu rangieren. Für uns ist die MirrorCam durch den Praxistest gefallen und seitdem haben wir nur noch Fahrzeuge mit Spiegel bestellt.“

Verwunderlich – ein Austausch ist nicht vorgesehen

So und ähnlich haben mir viele Transportunternehmer ihre Probleme geschildert. Ich habe daher nach der Präsentation in Wörth bei der Pressestelle von Daimler Truck nachgefragt, ob es denn nicht technisch möglich wäre, das Update mit den neuen optimierten Kameras mit ihren deutlich kürzeren Armen in das bestehende System im Fahrzeug zu integrieren, um damit die oben geschilderten Probleme für Bestandsfahrzeuge weitestgehend aus der Welt zu schaffen und dadurch bei den Kunden, die nun auf alle Fälle einen Actros oder Arocs kaufen, wiederzugewinnen? Schließlich ist ja auch der um 1,3 Prozent gesunkene Verbrauch ein gutes Argument.

„Grundsätzlich ist es immer unser Anspruch, unsere Systeme stetig weiter zu verbessern“, so die schnelle Antwort aus Stuttgart, „und grundsätzlich ist das technisch möglich – allerdings aktuell nicht vorgesehen. Beim Thema Nachrüstung und Umrüstung gilt immer eine Kosten-Nutzen-Aufwand-Abschätzung, dazu können wir aktuell aber nichts sagen, und zudem sind die aktuellen Lkw auf das bestehende System homologisiert.“

Über diese Antwort bin ich zugegeben überrascht, denn aus der Geschichte der Technik ist bekannt, dass das, was möglich ist, eines Tages doch umgesetzt wird. Vielleicht müssen die Kunden einfach nur oft genug fragen. Anfang 2020 entschied man sich auch nach ständigem Fragen, den ABA5 nur noch als Serie anzubieten. Damals war es vor allem mit osteuropäischen Lastzügen zu vielen Unfällen gekommen, deren Halter sich nur für das kostenneutrale Serienmodel, den ABA0 entschieden hatten.

Video zum Thema
Mercedes-Benz Actros mit MirrorCam
Neues von der MirrorCam [RELIVE]

Terminhinweis:

Für die 84. Sendung von FERNFAHRER LIVE am 9. Juni ab 17 Uhr haben wir uns etwas Besonderes ausgedacht: Wir sprechen mit Dirk Stranz, seit 2009 Entwicklungsingenieur bei der Daimler Truck AG in Wörth, der an diesem Tag auf Testfahrt mit einem Actros mit der neuen MirrorCam in Bayern unterwegs ist. Seine Gesprächspartner sind Franco Fillipone, Jürgen Franz, Andreas Gruber und Frank Kirch.

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