Spedition Michel im Transformationsprozess Mittelstand kann auch digital

Foto: Kathrin Hegger

Spedition Michel im Transformationsprozess: Wie ein Mittelständler die Digitalisierung für neue Kundenprojekte und interne Abläufe nutzt.

Nichts ist so beständig wie der Wandel – auch und gerade im Geschäftsbereich. Die Spedition Michel aus dem fränkischen Dettelbach findet Kontinuität in ihrem Dasein als Familienunternehmen und Wandel durch neue Themen und Geschäftsbereiche, zu denen auch die neue Generation beiträgt.

Die vierte Generation im Familienunternehmen ist Kathrin Hegger, die seit Juni 2019 an der Seite ihres Vaters und Geschäftsführers des Unternehmens, Rainer Michel, arbeitet. Ihre Aufgaben als Prokuristin sind Personalarbeit, Marketing und das Thema Digitalisierung. Die 35-Jährige bringt aber auch neue Ideen für das operative Geschäft mit ein, etwa die Logistik für Start-ups aus dem Bereich E-Commerce.

Neues Geschäftsmodell E-Commerce-Logistik

Seit Juni bietet das Unternehmen Michel am Standort Dettelbach daher auch Fulfillment-Dienstleistungen an. Kunde ist ein Start-up, das sich auf das Onlinegeschäft mit exklusiven und hochpreisigen Wandfliesen spezialisiert hat. Die Fliesen in Übergröße – 2,80 auf 1,35 Meter – benötigen ein spezielles Handling mit zwei Mann und Stapler. Die Spedition Michel übernimmt die Lagerung, die Kommissionierung und die Distribution.

„Lageraktivitäten hatten wir schon immer, und für das aufwendigere Handling des E-Commerce-Kunden bringen wir unsere Erfahrungen aus der Baustofflogistik mit“, sagt Rainer Michel. Was den erfahrenen Logistiker in puncto Start-up überzeugt hat, so gibt er unumwunden zu, war auch die Tatsache, dass der Neukunde Ableger eines großen Konzerns und damit das finanzielle Risiko geringer sei als bei sonstigen Start-ups.

„Die Betreuung ist intensiver als bei normalen Industriekunden, man muss den Kunden in vielerlei Hinsicht mehr beraten, beispielsweise auch beim Thema Verpackung. Aber das schafft eine viel engere Bindung“, erläutert Kathrin Hegger. Der Bedarf an Logistiklösungen durch Start-ups und andere E-Commerce-Anbieter sei eine Chance für den Mittelstand – die Spedition Michel plant inzwischen schon den Bau einer weiteren Lagerhalle mit ebenfalls 1.500 Quadratmeter Fläche.

In puncto Digitalisierung bringe die neue Generation ebenfalls Schwung rein, sagt Michel, der das Thema aber auch schon immer selbst forcierte. 60 Prozent der Aufträge für das Familienunternehmen gehen demnach bereits über eine digitale Schnittstelle ein, auch die Kommunikation mit den Kunden laufe rein digital.

Vernetzung aller Prozesse

„Unser Ziel ist eine durchgängige Vernetzung aller Prozesse. Es ist ein allgemeines Missverständnis, dass Mittelständler noch überhaupt nicht digitalisiert sind“, meint Hegger. Umsatz und Gewinn können in Sekundenschnelle in Winsped erhoben werden, über Sixfold und die Plattform von Logenios können für Kunden benötigte Daten freigeschaltet werden. Die Fahrleistungen zeigen die Tachodaten. Auch die Dieselverbräuche – und damit ebenso eventuelle Kraftstoffdiebstähle – bei den 50 eigenen Lkw zeigt ein eigenes System an. Für 2022 stehen der digitale Frachtbrief sowie die digitale Reisekostenabrechnung bereits auf der Agenda.

Auch in der Kommunikation habe sich dank Digitalisierung einiges getan, weil sich Daten und Dokumente schneller teilen ließen, sagt Michel. „Und erstaunlicherweise gilt das nicht nur für unsere jüngeren Mitarbeiter, auch viele ältere machen die neuen Prozesse problemlos mit.“ Zur besseren Kommunikation und einer effizienteren Struktur hätten aber auch die Auslandserfahrungen von Tochter Kathrin beitragen, gibt er zu.

Nach dem BWL-Studium, Fachrichtung Logistik, und dem Diplom an der FH Würzburg zog es sie auch aus privaten Gründen ins Ausland. Schanghai, Dubai und Italien waren die Stationen. Im Ausland gründete sie nicht nur eine Familie – drei und fünf Jahre sind die Kinder heute –, sondern sammelte auch berufliche Erfahrung, bis sie 2019 wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Foto: Ilona Jüngst
Gutes Team: Rainer Michel und seine Tochter Kathrin Hegger, die auch durch ihre Auslandserfahrungen neue Impulse im Unternehmen setzt.

Was sie mitbrachte, waren neue Ideen im Rahmen der Digitalisierung, aber auch das Wissen um die Notwendigkeit, die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern deutlicher zu zeigen – gerade für Speditionen ein sehr wichtiges Thema, wie sie sagt. Das fange in der Kommunikation an. „Daher wird in unserer Dispo Englisch gesprochen, schließlich haben wir auch Fahrer aus Kroatien, Serbien und Spanien.“ Weil sie aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es im Ausland sein kann, unterstützt das Unternehmen, und insbesondere Seniorchefin Lucy Michel, die Mitarbeiter, wo es nur geht – sei es beim Zuzug der Familie, einem Sprachkurs oder der Suche nach einem Kindergartenplatz.

Wertschätzung zeigen

60 Fahrer sind bei Michel in Lohn und Brot, die Personalsuche gestalte sich, wie bei anderen Branchenunternehmen auch, nicht einfach, sagt Hegger. „Wir suchen daher neue Wege, unsere Fahrer zu binden. Etwa durch ein Fahrermeeting einmal im Monat, um wichtige Themen zu besprechen, oder auch, indem wir am Samstag an unserem Truckerkiosk neben unserer Waschstraße einen Kaffee mit unseren Mitarbeitern trinken und reden.“

Neue Wege geht das Unternehmen auch immer mal wieder in seiner Ausrichtung. Die Baustofflogistik ist seit jeher ein Steckenpferd, wenn auch aktuell ein sehr arbeitsreiches. Aufgrund der aktuellen Lieferkettenprobleme kam es laut Michel in den vergangenen Monaten zu regelrechten Hamsterkäufen, gleichzeitig sei das zunehmende B2C-Geschäft eine Herausforderung für Disponenten und Fahrer. Sand, Kies oder Zäune gehen zunehmend an Privatadressen – „und dies alles muss der Fahrer mit einem Hubwagen teils auf Schotterwegen entlangbringen“.

2011 kam über einen Kundenauftrag die Silologistik als neues Geschäftsfeld dazu, in dessen Rahmen Michel für einen Kunden jährlich bis zu 85.000 Tonnen Gips zur Verarbeitung transportierte. Inzwischen hat Zement den Gips abgelöst. Seit 2016 bietet die Spedition auch Stückgut an. „Den Schritt haben wir ganz konsequent gemacht und neue Linienverkehre aufgebaut, den Nahverkehr zum Entsorgen hatten wir schon.“ Als Partner der Kooperation Palletways – Spezialität sind langes Stückgut und das seitliche Be- und Entladen – sei es möglich gewesen, kombiniert mit Partnern im Hauptlauf das Geschäft langsam aufzubauen. „Stückgut ist natürlich nicht die Cashcow, aber es ist eine gute Ergänzung unseres Portfolios und bringt uns weiteres Kundenpotenzial“, sagt Michel. Zwei Nahverkehrsfahrzeuge sind fest im Einsatz, ein drittes wird in Spitzenzeiten eingesetzt.

Ein weiteres Geschäftsfeld ist für die Spedition die Lebensmittellogistik. Für einen Discounter, der sein Zentrallager im nahe gelegenen Kitzingen hat, sind täglich sechs Kühlfahrzeuge im Zweischichtbetrieb gebucht, die Filialen im Umkreis von 100 Kilometern beliefern.

„Wir sehen unsere eigenen Assets und unseren großen Blumenstrauß an Dienstleistungen als große Chance an, unsere Kunden ordentlich zu bedienen“, sagt Michel. Der Spediteur hat daher auch keine Angst, in Zeiten des Wandels von einer digitalen Spedition verdrängt zu werden. „Am Ende werden immer der Lkw-Fahrer und das notwendige Equipment benötigt, um die Ware von A nach B zu transportieren. Wir sollten aber gemeinsam an einer besseren Wertschätzung des Fahrers arbeiten.“

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