Nufam 2021 Die politischen Debatten

Foto: Johannes Roller
Meinung

Die Bundestagswahl ist vorbei. Früher als die möglichen Koalitionäre diskutieren wir auf der Nufam in Karlsruhe am Wochenende über dringende verkehrspolitische Themen.

Es wird dauern. So viel ist nach dem Wahlabend klar. Bis Samstag machen sich nun die Parteien, die Anspruch auf eine Beteiligung an der nächsten Bundesregierung anmelden, „gesprächsbereit“. Erstmals in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden dabei die beiden kleineren Parteien, die Grünen und die FDP, wohl zuerst miteinander ausloten, welche Punkte sie teilen oder zu Kompromissen formulieren - bevor sie sich dann eine der beiden, nun ja, wohl ehemaligen Volksparteien als Partner aussuchen können. Die SPD um Olaf Scholz hat zwar ganz knapp gewonnen und möchte die Ampelkoalition, aber auch die CDU/CSU um Wahlverlierer Armin Laschet möchte mit einer frisch aus der Taufe gehobenen „Zukunftskoalition“ gern noch eine Rolle spielen. Was ich allerdings bezweifle. Für mich persönlich wäre es daher auch eine große Überraschung, würde Andreas Scheuer (CSU) als Bundesverkehrsminister noch eine zweite Chance bekommen, wie er es bis zuletzt gesagt hat. Warten wir ab.

Eine andere Verkehrspolitik

Mit der FDP und den Grünen als „Zünglein an der Waage“ wird es mit Sicherheit eine andere Verkehrspolitik geben. Dazu gehört, das war aber bereits vorher angelegt, vor allem eine geplante Stärkung des Schienenverkehrs, eine möglichst schnelle Dekarbonisierung des Pkw und Lkw-Verkehrs und ein radikaler Umbau des Verkehrs in den Städten. Mit weiteren möglichen Änderungen in der Straßenverkehrsordnung. Mit noch mehr Ausbau der Radwege. Für Lkw-Fahrer wird das auf Dauer heißen: das bereits jetzt zum Teil vorherrschende Lkw-feindliche Klima in der bürgerlichen Stadtgesellschaft wird zunehmen. Das zeigt sich bereits heute bei Urteilen zu Unfällen mit rechtsabbiegenden Lkw. Je mehr selbst radelnde Richterinnen und Richter es dann zukünftig an den Amtsgerichten geben wird, so meine Prognose, desto mehr wird die Objektivität unter dem politischen Druck der Parteien und des ADFC leiden.

FERNFAHRER LIVE - live auf der NUFAM

Als erste Nutzfahrzeugfachmesse zeigt die Nufam, die am kommenden Donnerstag in Karlsruhe beginnt, nicht nur die Möglichkeiten der Nutzfahrzeughersteller, sich auf diesen politischen Wandel zum Schutz vor dem weiteren Klimawandel einzustellen, sie bietet auch zahlreiche fachspezifische Vorträge. Vier davon mit verkehrspolitischen Themen darf ich am kommenden Wochenende moderieren.

Da ist zunächst am Samstag ab 16.30 Uhr in einem kurzweiligen Gesamtprogramm der „Talk am Truck“ am Stand A 303 in Halle 3. Er findet diesmal auf dem Partnertruck des FERNFAHRER von der Spedition Justen statt, den ich bereits mit seinen Fahrer André Hommen im Heft 9 des FERNFAHRER ausgiebig porträtieren durfte. Es ist zugleich der erste Live-Auftritt des Teams von FERNFAHRER LIVE vor Ort mit meiner Co-Moderatorin Christina Petters nach bislang 67 Sendungen in rein virtuellen Streams auf Facebook. Darauf freuen wir uns besonders. Das Thema lautet passend zur aktuellen Lage: „Das Image der Profis im Zeichen des Fahrermangels.“

Forderungen der Fahrer an die Politik

Es lässt sich nicht länger verleugnen. Nachdem bereits im UK nach dem Brexit mit aktuell 100.000 fehlenden Kraftfahrern Lieferketten reißen und die Distribution von Treibstoffen an Tankstellen gestört war, fürchtet nun auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) einen dauerhaften Mangel von bis zu 80.000 Fahrern. Ein Problem, wie ich es heute auch im Background Mobilität des Berliner Tagesspiegel beschrieben habe, ist die seit Jahren bekannte demografische Falle. „Die älteren Fahrer halten noch durch bis zur Rente, die Jugend will sich den Stress eines immer stärker reglementierten Berufs mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, überlasteten Straßen, Parkplatzmangel und teilweise unwürdiger Behandlung an den Rampen der Kundschaft nicht mehr antun.“ Jahr für Jahr klafft eine Lücke von rund 15.000 Fahrern. Mehr Ausbildung tut Not – aber auch mehr Wertschätzung der Fahrer. Und natürlich mehr Lohn. Doch wie ist der für die Unternehmen zu erwirtschaften, wenn die Frachtpreise auch weiterhin in weiten Teilen stagnieren und das Mobilitätspaket an sich bislang noch keine entscheidende Wirkung gegen die Billiganbieter aus Osteuropa bietet?

Daher haben wir auf die Bühne des FERNFAHRER interessante Gäste eingeladen: Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL und im Vorstand des Vereins Profi e.V., sowie Christiana Scheib, bekannt zunächst aus der TV-Serie „Asphalt Cowboys“ und mittlerweile Botschafterin des BGL-Süd. Sie treffen auf Sven Fritzsche, Franco Filippone und Burkhard Taggart von den Kraftfahrerkreisen, immer wieder kompetente Gäste bei FERNFAHRER LIVE, die ebenfalls mit einem Stand auf der Nufam vertreten sind. Das Thema lautet passend zur aktuellen durchaus bereits dramatischen Lage: „Das Image der Profis im Zeichen des Fahrermangels.“

Profi und Kraftfahrerkreise appellieren an die zukünftigen politischen Vertreter

Nur ausgeruhte und gesunde Fahrerinnen und Fahrer können ihrer Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag nachkommen und ihren Beitrag für die Verkehrssicherheit leisten, so lautet die Präambel zu einem aus fünf Punkten bestehenden Appell an die zukünftigen politischen Vertreter in Berlin, die die Kraftfahrerkreise formuliert haben. Denn: Die Gesundheit der Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer ist aktuell in Gefahr! Das hat unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Es geht im Einzelnen um das große Problem des Zustands der sanitären Anlagen auf den Autobahnen selbst und vor allem um den Zugang bei den Kunden, dem aktuellen Mangel an rund 40.000 Lkw-Stellplätzen in Deutschland und der Forderung auch mehr sichere Parkplätze in den Industriegebieten zu schaffen.

Zur Verbesserung der Sicherheit auf den Straßen ist dazu weiterhin dringend endlich eine verpflichtende Einweisung und die praktischen Trainings mit Notbremsassistenten gefordert. Mittlerweile 52 an einem Stauende getötete Lkw-Fahrer in diesem Jahr sind wirklich genug. Dazu soll eine schnellere Nachrüstung von Abbiegeassistenten, die bereits eine Allgemeine Betriebserlaubnis haben, durch die Unternehmen forciert werden. Auch um die Fahrer selbst in den Innenstädten zu schützen, solange die gegenseitige Rücksichtnahme – jedenfalls für die Radfahrer - nur eine Empfehlung aus der Straßenverkehrsordnung ist.

Dazu kommt die Verpflichtung zur digitalen Verkehrsführung vor den Baustellen durch die Autobahn GmbH und den Dialog mit den Profis am Steuer über Tempolimits und Überholverbote. Weitere Punkte sind die Erhöhung der Kontrolldichte in Deutschland durch die zuständigen Behörden, eine weitere räumliche Verbesserung der Fahrerkabine, wie es DAF nun auf Basis der geltenden EU-Richtline vorgemacht hat, gerne auch mit eingebauter Küche und WC. Und endlich eine Aufnahme der Kabine selbst in die Arbeitsstättenverordnung – um etwa das Thema der Standklimaanlage im Lkw einheitlich zu regeln. Und natürlich wollen wir am Ende wissen, wie es nun mit dem Verein Profi e.V. selbst weitergeht. Hier freuen wir uns über eine sicher spannende Debatte mit dem Fachpublikum zum Ausklang des Samstags.

Drei Debatten am Sonntag in der Aktionshalle

Besonders gefreut hat mich die Tatsache, dass mich auch die Nufam selbst gefragt hat, am Sonntag im Rahmen des Truck Driver Forums in der Auktionshalle drei ebenfalls top-aktuelle Debatten um aktuelle Themen der Verkehrspolitik zu moderieren. Ich habe sie in der Vorbereitung zu drei Fragen gemacht – die mich ebenfalls bereits seit geraumer Zeit als Journalist beschäftigen.

„Wann endet das Sterben auf der Autobahn? Was können die Politik und vor allem die Unternehmen tun, um die schweren Lkw-Unfälle am Stauende einzudämmen?“ Ab 11 Uhr.

„Stoppt die digitale Technik das Sozialdumping? Der Zeitplan des Mobilitätspakets und die entscheidende Rolle des neuen intelligenten digitalen Tachographen.“ Ab 13 Uhr

„Gibt es zu wenig Lkw-Parkplätze oder zu viele Lkw? Der Parkplatzmangel eskaliert, es gibt allerdings Lösungen abseits der Autobahn, die sogar gefördert werden.“ Ab 14.30 Uhr

Die genaue Beschreibung der Inhalte, die ich hier nicht im Einzelnen noch einmal aufführen will, und die hochkarätig besetzte Liste der Teilnehmer sind der Einfachheit halber direkt auf der Seite des Rahmenprogramms der Nufam am 3.10. zu finden.

Ich freue mich auf den Besuch der Messe unter den Bedingungen der „3-G-Regeln“ und auf die Möglichkeiten des gegenseitigen Austauschs vor Ort.

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