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Neue digitale Lösung zum E-Fulfillment Jeder Cargoline-Partner profitiert

Foto: Cargoline

Cargoline-Geschäftsführer Jörn Peter Struck über Sendungsschwankungen im Stückgutmarkt und das Thema Unternehmensnachfolge.

trans aktuell: Herr Struck, im Frühjahr 2021 überraschten riesige Sendungsmengen die Branche. Wie lief es im vergangenen Herbst, und was erwarten Sie dieses Jahr?

Struck: Tatsächlich hat es uns im Frühjahr 2021 stark erwischt, nicht nur wegen des Sendungszuwachses von acht bis zehn Prozent, sondern auch wegen eines Schneechaos im Februar, das die Zustellmöglichkeiten eingeschränkt hat, und Ausfällen wegen Corona. Weil wir in den Eingangshäusern so viel zu tun hatten, mussten die Ausgangshäuser Sendungen zurückhalten, was bei der weiteren Sendungsproduktion wieder im Weg stand. Ein Teufelskreis, den wir so noch nie hatten. Auf das Herbstgeschäft waren wir also entsprechend vorbereitet, aber mengenmäßig zeigte es sich im Vergleich dann deutlich ruhiger.

Und wie planen Sie 2022?

Wir planen, rein aus den Wirtschaftsdaten, über alles mit einem Wachstum von zwei bis drei Prozent. Für das Frühjahr gehen wir von einer ähnlichen, B2C-getriebenen Situation wie vergangenes Jahr aus – die Versender erwarten sogar noch mehr Geschäft. Jetzt sind wir aber besser vorbereitet. So haben wir etwa unsere Sendungsstrukturen schon im Herbst um alles bereinigt, was ein Stückgutnetzwerk stark beansprucht, etwa sperrige und nicht unterfahrbare Sendungen oder unverpackte Ware. Auch die Verweildauer beim Eingangspartner haben wir verkürzt, indem wir den Avisierungsprozess so früh wie möglich anstoßen, damit die Sendung im Cargoline-Netz schneller durchproduziert werden kann. Vieles geht da auch mit digitaler Unterstützung. So können wir dem Privatempfänger die Sollankunftszeit mitteilen, also eine ETA-Angabe machen. Das hilft enorm, sodass der Empfänger auch zu Hause ist, wenn die Sendung ankommt.

Cargoline hat inzwischen viele IT-basierte Tools an Bord, um effizienter zu arbeiten, und auch neue digitale Geschäftsmodelle wie Cargoboard, das 2019 gestartet ist. Geben Sie uns ein Update?

Mit unserer Spedition Cargoboard zielen wir auf Kunden ab, die schnell und mit wenigen Klicks Transporte buchen wollen, etwa auch am Sonntag. Für diese Kunden zählen die rein digitale Schnittstelle und die Vorteile der Plattform wie digitale Rechnungsstellung und das Tracking and Tracing von Cargoline. Das bringt uns pro Monat mehr als 10.000 zusätzliche Sendungen für unser Netzwerk. Ein weiteres Angebot, das auch im Hinblick auf die Laderaumknappheit spannend ist, ist Cargonative als Plattformlösung für Teil- und Komplettladungen und freie Laderaumkapazitäten. Damit können wir in erster Linie intern Kapazitäten zur Verfügung stellen – das nennt sich dann Family-Match –, was wir gerade starten. Später wird die Plattform dann auch für Externe geöffnet, um die Skaleneffekte zu nutzen.

Und relativ neu ist auch Cargocast …

Das ist ein von uns entwickeltes Prognosetool – wie gut hätten wir das im vergangenen Frühjahr schon gebrauchen können! Um Vorhersagen treffen zu können, braucht es viele Faktoren, sodass wir sehr komplexe Algorithmen programmieren mussten, aus denen die Mengenentwicklung vorhergesagt werden kann, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, für maximal drei Monate. Die Datenbasis bilden neben den historischen Sendungsdaten auch die Daten aus kurzen Feiertagswochen, Wetter, Ferienzeiten sowie Aktionen von Versendern und das Bestellverhalten von deren Kunden. Hier sind wir mit einer Trefferquote von 96 Prozent schon relativ gut, wollen uns aber auf bis zu 98 Prozent steigern. Parallel wollen wir erarbeiten, ob wir Sendungen dann auch anders disponieren können.

Was ist aktuell in der Pipeline?

Eine digitale Lösung zum Thema Warehousing, was auch in Richtung E-Fulfillment geht. Viele Partner bilden inzwischen schon Lagerlogistiklösungen ab, das Know-how ist also im Netzwerk vorhanden, und davon sollen auch andere Cargoliner durch eine partnerübergreifende Plattform profitieren. Was wir außerdem schon etwas länger machen, ist Sealine – große Cargoliner mit Seefrachtaktivitäten stellen kleineren Partnern ihre Kapazitäten zur Verfügung. Das entwickeln wir gerade weiter zu einem Onlinebuchungsportal namens Cargoseal. Für all diese digitalen Angebote haben wir 2021 die Cargo Digital World gegründet, die das als Dachorganisation managt, die Start-ups zum Erfolg führt, aber auch neue digitale Geschäftsideen identifiziert und befördert. Die größeren Mitglieder profitieren, weil alle Kräfte gebündelt werden, während kleinere Partner froh sind, dass sie sich nicht allein mit den Themen der Digitalisierung auseinandersetzen müssen – so hat jeder Partner etwas davon.

Foto: Alex Fischer / vor-ort-foto/Carg
Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der Stückgutkooperation Cargoline.
Inwiefern hat das Thema Digitalisierung Cargoline noch beeinflusst?

Wir haben deutlich von der Start-up-Mentalität des Gründungsinkubators Garage 33, der mit uns Cargoboard umgesetzt hat, profitiert und inzwischen weitere digitale Lösungen im Servicebereich realisiert. Etwa haben einige Partner auf ihre Webseiten ein automatisiertes Tool für Tagespreisanfragen platziert. Man merkt auch deutlich den Unterschied in der Arbeitsweise der Systemzentrale und eines Start-ups wie Cargoboard, wo mittlerweile 35 Mitarbeiter tätig sind. Die freuen sich richtiggehend über jedes Problem, das man digital bearbeiten kann.

Die Digitalisierung kann über eines nicht hinweghelfen: den Konsolidierungstrend im Stückgutmarkt. Da gab es in den vergangenen Monaten einige Übernahmen …

Ja, leider auch welche, die Cargoline betroffen haben. Die Konsolidierungen werden auch nicht aufhören. Wenn ein Unternehmer verkaufen möchte, dann versuchen wir, zumindest Cargoline-freundliche Lösungen zu finden. Oft liegt es etwa an der Nachfolgerfrage. Anders als früher, als Unternehmenskinder ganz selbstverständlich in die Pflicht genommen wurden, hat der Nachwuchs heute ja die Wahl. Aber anders als in der Vergangenheit geht es da nicht um einen Betrieb mit drei Lkw und ein paar Mitarbeitern, sondern um ein paar Hundert Mitarbeiter, für die man als Nachfolger Verantwortung übernehmen soll. Daher haben wir ein Unternehmensnachfolgeprogramm ins Leben gerufen, das sechs Module beinhaltet. Für 2022 ist der erste Abschluss geplant. Aktuell sind darin zwölf Teilnehmer.

Was ist das Ziel?

Das Programm richtet sich an potenzielle Nachfolger, die sich mit dem Ob und dem Wie beschäftigen. Begleitet werden sie dabei von professionellen Coaches. Die Teilnehmer erarbeiten dort eigene Projekte und tauschen sich auch untereinander aus. Dabei geht es auch um Themen wie Geschwisterkinder oder die Aufteilung der Verantwortung. Parallel finden Seminare für den aktuellen Inhaber, in der Regel die Eltern, statt, denn auch sie müssen sich auf das Thema vorbereiten.

Was, wenn es keine Nachfolge gibt?

Wir werden einen Verkauf nicht immer verhindern können. Für uns als Netzwerk ist es aber wichtig, früh informiert zu werden. Wir überlegen daher, eine zentrale und neutrale Stelle zu schaffen, um Unternehmen bei dem Prozess zu begleiten und vielleicht auch auf potenzielle Käufer innerhalb des Netzwerks hinzuweisen. Wenn dennoch eine Lücke im Netz entsteht, dann gibt es die Lösung, auch ein Unternehmen einzubinden, das bereits in einem anderen Netzwerk aktiv ist – denn auf einen ungebundenen Mittelständler mit Stückgut zu hoffen, macht heute keinen Sinn. Da aber Netzsicherheit für uns ganz oben auf der Agenda steht, versuchen wir immer, an A- und B-Plätzen zu 100 Prozent eine Cargoline-Lösung zu finden. Das kann auch der Zusammenschluss mehrerer Gesellschafter zu einem neuen Unternehmen sein. Es braucht nicht immer einen Konzern, um eine solche Lücke zu füllen. Die Unternehmen Bursped, Hartrodt und Schmidt als Gesellschafter der BHS Spedition aus Bremen etwa sind ein gutes Beispiel dafür.

Eine neue Regierung, ein neuer Verkehrsminister sind am Start. Was wünschen Sie sich?

Ich bin froh über den Wechsel, denn neue Strukturen tun gut. Zum einen beschäftigt uns weiter das Thema Infrastruktur – etwa die Probleme an der A 45, wovon auch unser Cargoline-Partner in Siegen betroffen ist, aber auch genügend Parkplätze und das Thema Ladesäulen für die künftige E-Mobilität. Aber wichtig ist auch die Brücke zwischen der verkehrspolitischen Diskussion und der Praxis. Es stellt sich immer wieder die Frage, wie die Vorgaben für die Branche in Deutschland sind und wie dazu der EU-Vergleich ausfällt. Und natürlich ist auch die Attraktivität der Logistikbranche weiter Thema. Die Wahrnehmung der Branche ist in der Pandemie zwar deutlich besser geworden, das Image ist aber immer noch nicht gut. Daran müssen wir alle arbeiten.

Zur Person

  • Jörn Peter Struck ist seit 2006 Geschäftsführer der Stückgutkooperation Cargoline mit Sitz in Frankfurt am Main

  • Zuvor war er sechs Jahre bei Thiel Logistik (heute Logwin) beschäftigt, davor war er Vorstandschef bei der Kontraktlogistiktochter Microlog gewesen

  • Davor hatte Struck Erfahrungen bei Kühne + Nagel, Thyssen und Nedlloyd-Unitrans gesammelt

  • Struck studierte nach dem Abitur BWL an der Universität Hamburg
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