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Nach dem Bahn-Chaos Kümmerer für die Schiene

Foto: Mario P. Rodrigues

Laut DB Cargo sind die Güterverkehre auf der Schiene wieder im Takt. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat zwei Kümmerer eingesetzt, die bei Problemen helfen sollen.

Das Chaos auf der Schiene, das zum Jahresende für reichlich Ärger und Verspätungen sorgte, scheint sich ein Stück weit gelegt zu haben. Zum Jahresende hin hatten zahlreiche Speditionen, die den Kombinierten Verkehr (KV) nutzen, von erheblichen Störungen berichtet. Die Bahn hatte als Ursache vor allem die Vielzahl an Baustellen genannt, die einen planmäßigen Betrieb erschwerten.

„Alles im grünen Bereich, wir sind wieder im Takt“, meldet ein Sprecher von DB Cargo gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell. Die Pünktlichkeit sei wieder über den Planwerten. Dass sich die Lage wieder entspannt hat, liege daran, dass zum Jahresende hin weniger gefahren wurde und dass es aktuell weniger Baustellen gebe.

12,7 Milliarden Euro für die Bahn-Infrastruktur

Der Sprecher bestätigt, dass es Probleme gegeben hat. Eine Bautätigkeit in diesem Umfang habe es bis dahin auch noch nicht gegeben: 12,7 Milliarden Euro hatten Bahn, Bund und Länder 2021 in die Infrastruktur gesteckt – so viel wie noch nie. „Es ist vertrackt, denn immer wenn wir ins Netz eingreifen, kommt es zu einer Verschlechterung“, sagt der Sprecher – jedenfalls temporär, also während der Bautätigkeit. Umso wichtiger sei es für die Kunden, über die Auswirkungen informiert zu sein. „Planbarkeit ist die Währung“, sagt der Sprecher. Sie müssten wissen, ob die veränderten Ankunftszeiten noch in ihre Slots passten oder ob sie umdisponieren müssten. Aussagen, wonach der KV in dieser Zeit das Nachsehen gegenüber anderen Verkehren auf der Schiene hatte, weist er zurück. Die Bundesnetzagentur wache streng darüber, dass der Zugang zum Schienennetz diskriminierungsfrei erfolge.

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Spediteur Michael Schaaf, Geschäftsführer des auf Chemielogistik spezialisierten Unternehmens Bay Logistik aus Waiblingen, bestätigt, dass sich die Pünktlichkeit gebessert hat – wobei die bisherige Zahl der Abfahrten im Januar noch nicht für eine belastbare Aussage reiche. „Seit Januar scheint Köln–Kornwestheim mit drei Abfahrten stabil zu sein, aber zum Beispiel nach Lovosice haben wir wieder Verspätungen.“ Schaaf hatte als regelmäßiger Nutzer der von Kombiverkehr angebotenen Verbindung Köln–Kornwestheim besonders unter den Störungen zu leiden. Im Dezember berichtete trans aktuell von einem Zug, der statt am Nikolaustag zwei Tage später am Zielort eintraf. Allein von Bay Logistik standen elf Container darauf. Auch auf der Straße gibt es Staus, doch die 360 Kilometer zwischen den KV-Terminals Köln und Kornwestheim hätte ein Lkw-Fahrer innerhalb einer Lenkzeit problemlos bewältigt.

Spediteur Michael Schaaf: die pure Katastrophe

„Was zurzeit passiert, ist die pure Katastrophe“, sagte Schaaf im Dezember. Die Verspätungen hätten im September begonnen, berichtet der 54-Jährige. Im Dezember seien die Schienenverkehre völlig aus dem Takt geraten und nicht mehr planbar. Köln-Kornwestheim sei wegen der hohen Nachfrage von drei auf vier Abfahrten erhöht worden. „Wir haben bei Bay Logistik so viele Mengen dafür akquiriert, dass wir problemlos fünf Abfahrten auslasten könnten“, sagt der Unternehmer. Doch er erinnert sich nicht, dass in der Praxis jemals auch vier Abfahrten erfolgt sind. Meist sei es bei drei Zügen pro Woche geblieben, mitunter seien es nur zwei gewesen. Vor der Corona-Krise verkehrte der Zug dort fünfmal wöchentlich.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg teilt mit, es habe Kenntnis davon, dass es vermehrt zu Einschränkungen in der Infrastruktur mit Auswirkungen auch auf den Schienengüterverkehr und die Logistikketten kommt. Nachdem Unternehmer Schaaf die deutlichen Auswirkungen auf sein Unternehmen skizzierte, hatte trans aktuell im Dezember darüber berichtet und das Ministerium darüber informiert. Eine Sprecherin der Behörde verspricht nun: „Die entsprechende Fachabteilung wird Ihre Berichterstattung und Ihren Praxisbericht nochmals zum Anlass nehmen, um mit der DB in Kontakt zu treten – mit dem Ziel, möglichst eine baldige Entschärfung der geschilderten Lage zu erreichen.“

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Dabei legt das von Winfried Hermann (Grüne) geführte Ministerium Wert auf eine Differenzierung: „Wenn es zu Verzögerungen aufgrund von notwendigen Baustellen, Ausbau- oder Modernisierungsmaßnahmen in der Infrastruktur kommt, so ist dies zunächst ein prinzipiell gutes Zeichen.“ Es zeige, dass der Infrastrukturbetreiber und der Bund ihrem Auftrag für die Infrastruktur nachkommen. „Und Baustellen führen in der Regel zu Einschränkungen.“ Davon zu unterscheiden sei jedoch die Frage einer angemessenen Kommunikation, die hier verbesserungswürdig erscheine. „Gerade Letzteres ist aber natürlich wichtig für die Verlässlichkeit der Logistikketten auf der Schiene.“ Minister Hermann unterstreicht die Bedeutung einer verlässlich und zukunftssicher ausgebauten Schieneninfrastruktur. Darüber hinaus müssten der Transport auf der Schiene weniger komplex sein und Herausforderungen der Verlader vor Ort gelöst werden. „Deshalb fördern wir nicht nur die Infrastruktur, sondern haben auch ein ‚Team Kümmerer für den Schienengüterverkehr‘ eingerichtet und damit eine Empfehlung aus dem Güterverkehrskonzept Baden-Württemberg umgesetzt“, sagt er.

Der Kontakt zu den beiden Kümmerern

Die Kümmerer sind bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) angesiedelt, die dem Ministerium unterstellt ist, und bilden die Schnittstelle zwischen den Akteuren aus der Praxis und dem Verkehrsministerium. Mithilfe dieser Schnittstellenfunktion sollen unter anderem Probleme frühzeitig erkannt werden. „Denn nur wenn uns diese bekannt sind können wir uns dafür einsetzen, eine baldige und für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden“, heißt es. Die Kontaktdaten der Kümmerer: Stefan Kindorf (stefan.kindorf@nvbw.de) und Joachim Zacher (joachim.zacher@nvbw.de).

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