Lkw-Kontrolltag - die Ergebnisse Die Spitze des Eisbergs

Foto: Jan Bergrath 16 Bilder
Meinung

Ein bundesweiter Kontrolltag mit Polizei, BAG und Zoll bringt es an den Tag: der massive Preiswettbewerb im Gütertransport, das starke Wachstum osteuropäischer Flotten auf den westeuropäischen Märkten und eine offenbar nachlassende Qualifikation der Fahrer werden zum Gefahrenpotential auf deutschen Straßen. Beobachtungen an der A4.

Es ist schon eine lobende Anerkennung wert, welch hohe Trefferquote die auf Lkw-Kontrollen spezialisierten Beamten der Autobahnpolizei Köln zusammen mit Bundesamt für Güterverkehr (BAG) und Zoll gestern auf der A4 bei Aachen erzielt haben. In 90 Prozent der kontrollierten Fälle erwiesen sich Instinkt und Erfahrung der insgesamt 31 Beamten als goldrichtig. Die Lkw-Kontrolle in Fahrtrichtung Köln fand im Rahmen der bundesweiten Aktion „sicher.mobil.leben.“ statt.

Das erschreckende Ergebnis vorweg: 30 Lkw beziehungsweise ihre Fahrer wurden beanstandet, zwischen 70 und 80 Prozent der Lastwagen hatten eine ausländische Zulassung. Die meisten Beanstandungen gab es zum Thema Ladungssicherung - Details in der Bildergalerie - und den Sozialvorschriften. Sechs Mal wurde die Weiterfahrt unterbunden. Es gab einen Verdacht auf Heizöl im Tank, also ein Steuervergehen, einen Verdacht auf einen gefälschten Führerschein und, ein Fall für die beiden Mitarbeiterinnen des Veterinäramts, ein ungarisches Pferd mit zu langen Hufen, was aber transportrechtlich keine Rolle spielte.

Hohe Dunkelziffer

Das Gesamtergebnis des Kontrolltags lag bis zur Veröffentlichung dieses Blogs noch nicht vor. Regionale Medien berichten allerdings von einer gleichermaßen hohen Beanstandungsquote in ganz Deutschland. Einige Dienststellen der Polizei nutzten den Tag auch, um mit den „Brummi“-Fahrern, teilweise sogar bei einer Tasse Kaffee, ein aufklärendes Gespräch zu führen. Doch hier im Dreiländereck, wo sich vor allem auch die Flotten aus Osteuropa auf ihren Touren über Belgien und den Niederlanden über die A4 auf den Weg zu Kunden in Deutschland oder osteuropäischen Ländern bündeln, war das ernstzunehmende Ergebnis mit einbehaltenen Sicherheitsleitungen in Höhe von rund 8.000 Euro nur die „Spitze des Eisbergs“, wie es der kurzfristig eingesprungene Einsatzleiter, Polizeihauptkommissar Büttner, am Ende konstatierte. Denn während in den gut fünf Stunden der Kontrolle eben auch nur 32 Lkw genauer untersucht werden konnte, rasten in dieser Zeit mehrere Tausend andere Lkw auf dieser hochfrequentierten Strecke unkontrolliert vorbei. Mit anderen Worten: Die Dunkelziffer ist hoch.

Die Ladung unter der Plane sieht man nicht

Denn, so hieß es einstimmig unter den Kontrolleuren: die Ladung unter der Plane sieht man nicht. Erst im Sommer war im Einzugsbereich der Autobahnpolizei Köln ein Sattelzug auf der A44 bei Titz wegen schlecht gesicherter Betonteile umgekippt. Zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer hat die Polizei daher ein gesteigertes Interesse, diese Fahrzeuge vorher aus dem Verkehr zu ziehen. Angesichts eines mit lediglich zwei Gurten pro Seite auf einem Planenauflieger "gesicherten" Baggerladers auf dem Weg in die Türkei fasste ein Polizist das Problem wie folgt zusammen: „So ein Bagger ist sicher sehr teuer, da muss dann wohl am sicheren Transport gespart werden.“

Drei Lkw derselben Firma in einer Kontrolle

Zahlenmäßiger „Spitzenreiter“ bei der Kontrolle waren drei Lkw einer großen italienischen Spedition, die Auflieger über das Kombi-Terminal Köln-Eifeltor über die Alpen holt und diese im Vor- und Nachlauf mit ihren in Polen zugelassenen Zugmaschinen und, immer öfter, ukrainischen Fahrern im erlaubten Radius von 150 Kilometern (innerdeutsch) zu den Kunden bringen lässt. Das ist, Stand heute, bis zu einer möglichen Änderung im derzeit zu verhandelnden Mobilitätspaket, keine Kabotage und ähnelt dem Konzept eines großen österreichischen Logistikers im Westhafen von Herne – dort nur mit mazedonischen Fahrern auf bulgarischen Zugmaschinen.

Bei einer tatsächlich durchgeführten Kontrolle im Massenspeicher des roten Iveco konnte, für Insider wenig überraschend, festgestellt werden, dass der Fahrer, wenn er mit dem Pkw aus der Ukraine zum polnischen Firmensitz und von dort im Kleinbus zum Standort der Lkw im Niehler Hafen fährt, keinen Nachtrag dieser Arbeits- oder Bereitschafszeit gemacht hat. Und das möglicherweise alle sechs Wochen, wenn dieser Fahrer nach seiner Arbeit im Lkw und seiner mutmaßlichen Übernachtung an den Wochenenden in einem Container auf dem Firmengelände für je zwei Wochen in die Heimat pendelt. Das müsste jedoch eine Nachprüfung noch beweisen. Mit seinem Lohn von 1.800 Euro und den kaum anfallenden Lohnnebenkosten ist diese Arbeitskraft im harten Wettbewerb auf dem deutschen Frachtmarkt konkurrenzlos billig.

Mahnende Worte des Verbandes in Nordrhein-Westfalen

Für mich zeigt dieser Besuch auf der Tank- und Rastanlage Aachener Land Süd vor allem eins: Der massive Preiswettbewerb im Gütertransport, das starke Wachstum osteuropäischer Flotten auf den westeuropäischen Märkten und eine offenbar nachlassende Qualifikation der Fahrer – das betrifft leider auch manche deutschen Kraftfahrer – werden zum Gefahrenpotential auf deutschen Straßen. Das hat ganz aktuell auch die Versicherungswirtschaft erkannt.

„Dass bei der morgigen Großkontrolle die Beanstandungsquote erstaunlich hoch sein wird, hat einen guten Grund“, hatte Markus Hover, stellvertretender Hauptgeschäftsführer Wirtschaft und Kommunikation des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen e.V. bereits im Vorfeld kommentiert: „Wer herausgewunken wird, ist im Vorfeld der Besatzung der Polizeifahrzeuge aufgefallen. Diese auch Schlepper genannten „Vorposten“ achten dabei auf den Pflegezustand der Lkw, Auffälligkeiten wie beispielsweise ausgebeulte Planen und flatternde Spanngurte oder zielen einfach auf bekannte „Stammkundschaft“.

Keine Frage, so Hover weiter: „Wer Fehler macht, muss eindeutig darauf hingewiesen werden – wer mit krimineller Energie wirtschaftliche Vorteile ergaunert, muss vom Markt entfernt werden. Wir sprechen uns darum deutlich für Kontrollen aus und fordern schon lange eine personelle Verstärkung der Polizei und des Bundesamtes für Güterverkehr, um einen unfairen Wettbewerb zu Lasten der Sicherheit zu verhindern. Hohe Beanstandungsquoten sind aber immer ausschließlich ein Indiz für wirklich gute Polizeiarbeit. Dass über eine Million Transporte in Deutschland täglich sicher ans Ziel kommen, ist ein guter Hinweis darauf, wie die Logistik zu Recht und Ordnung steht.“

Außer Konkurrenz – ein Abstecher nach Belgien

Die A4 ist die deutsche Verlängerung der E40 aus Richtung Lüttich, wo das Team der Autobahnpolizei Battice um den mittlerweile pünktlich zum 40. Dienstjubiläum zum 1. Hauptinspektor beförderte Raymond Lausberg schon seit vielen Jahren vor allem die Lkw aus Osteuropa im Auge hat – und besonders die, die mit ausländischen Kennzeichen für die in Osteuropa gegründeten Niederlassungen auch deutscher Logistiker unterwegs sind. Hier sind es in drei Stunden der Frühschicht mit drei Mann fünf herausgezogene Lkw mit fünf Treffern – von einer gefälschten Urlaubsbescheinigung bis zu einer bulgarischen Zugmaschine, die seit Januar 2018 gar nicht mehr bei der Hauptuntersuchung war. Während die deutsche Polizei die Kontrolle der Anreise zum Lkw als Nachtrag leider noch eher zögerlich behandelt, haben die Belgier ein einfaches Formblatt entwickelt, um die Reiseroute der osteuropäischen Lkw-Arbeitsnomaden nachzuvollziehen.

Belgisches Strafrecht vs. deutsches Ordungswidrigkeitenrecht

Wer angeblich direkt mit dem Flugzeug aus Mazedonien kommt und am niederländischen Flughafen den Lkw mit seinem Kollegen tauscht, hat ein Nachweisproblem, wenn er das Flugticket nicht vorlegen kann. Der große Unterschied zu den deutschen Kontrollen sind einmal mehr die hohen Bußgelder im Strafrecht im Vergleich zum eher harmlosen deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht.

So stehen der deutschen Sicherheitsleistung von 8.000 Euro bei 30 Lkw satte 15.000 Euro an sofort einbehaltenen Bußgeldern bei fünf Lkw gegenüber. In Belgien gilt zudem – wer nicht zahlt bleibt stehen, bis das Geld kommt. Das geht erstaunlich schnell. Sollte sich in Deutschland ein Lkw-Fahrer, der noch nicht bezahlt hat, aus dem Staub machen, dann kommt er in eigene Datei beim Zoll. Es wäre mehr als ein Glückstreffer, sollte der Zoll bei einer Kontrolle wieder dabei sein und feststellen, dass da noch eine Rechnung offen ist.

Ärger um nächtliche Sperrungen der Lkw-Parkplätze

Die Leiter der Schwerlastkontrollgruppen, mit denen ich im Laufe des Tages gesprochen hatte, haben mir versichert, dass sie die für die Kontrollen nötigen Lkw-Stellflächen, so wie auch auf Aachener Land, erst am frühen Morgen abgesperrt hatten. Bei der akuten Not an Parkplätzen in der Nacht oder am Wochenende sind sonst Konflikte nicht ausgeschlossen. Für großen Unmut unter vielen Fahrern auf Facebook sorgte daher die teilweise Sperrung der Raststätte Hunsrück Ost auf der stark befahrenen A61, wie das Foto von Michael Schreck in der Galerie eindrücklich belegt.

Hierzu die Antwort der Pressestelle des Polizeipräsidiums Koblenz auf meine Nachfrage: „Ohne eine rechtzeitige Sperrung auf Veranlassung der Polizei durch den Landesbetrieb Mobilität (Autobahnmeisterei Emmelshausen) am Vorabend wären die Lkw-Stellflächen am Aktionstag mutmaßlich belegt gewesen und zum Freimachen hätte es dann zumindest einer Unterbrechung der Ruhezeiten der Fahrzeugführer/-innen bedurft, gegebenenfalls wären auch Fahrzeugführer/-innen nicht an ihrem Fahrzeug gewesen, so dass eine Räumung nicht im erforderlichen Umfang möglich gewesen wären. Hinzu kommt, dass Teile des Präventionsangebotes wie der Lkw-Überschlagsimulator bereits am Vortag der Kontrollmaßnahmen platziert und aufgebaut werden mussten.“

Bitte mehr Augenmaß

In der Tat: Mit diesen Kontrollmaßnahmen – und insbesondere mit dem im Rahmen der Aktion angebotenen Präventionsprogramm – leisten die Polizei und ihre Kooperationspartner einen wichtigen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit im gewerblichen Personen- und Güterverkehr, so dass es seitens der Polizei vertretbar ist, dazu die notwendige Fläche in Anspruch zu nehmen. Die rechtliche Seite hat bereits die Facebookseite „Verkehrssicherheit“ auf meine Bitte veröffentlicht: „Für die Sperrung der Parkplätze ist eine verkehrsrechtliche Anordnung (VAO) notwendig. In der Anordnung kann diese Sperrung für den Kontrollzeitraum zeitlich befristet werden (zum Beispiel am 12.09.19 von 06:00 bis 16:00 Uhr). Diese Befristung würde den Lkw-Fahrern über die Nacht helfen.“

Auch der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) mahnt bei derartigen Aktionstagen zu Augenmaß. Schließlich kann es nicht sein, dass Kontrollen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit dazu führen, dass Fahrer, deren Lenkzeit ausläuft und die wegen künstlich erzeugtem Parkplatzmangel in der Nacht weiterfahren müssen, selber zum Verkehrsrisiko werden. Oder die Polizei kündigt in Zukunft nicht nur an, wann sie kontrolliert sondern wo genau. Es sind dann bei den Tausenden an Lkw, die unterwegs sind, mit Sicherheit immer noch ausreichend „übliche Verdächtige“ dabei, die immer noch ins Netz gehen. Die Auswahl auf der Autobahn ist leider mehr als groß genug.

Update: Die Gesamtbilanz

Leider kam die Meldung über die Gesamtbilanz des Lkw-Kontrolltages erst nach Redaktionsschluss meines Blog. Ich möchte die wesentlichen Zahlen allerdings nicht vorenthalten. Sie unterscheiden sich ein wenig von der Kontrolle an der A 4, was dort auch an der hohen Frequenz von Lkw aus Osteuropa lag. Etwas merkwürdig finde ich dabei die Einschränkung der Polizei beim Thema Geschwindigkeit. Für mich ergibt das ein etwas verzerrtes Bild der Gesamtbilanz, wenn hier Pkw mit einbezogen werden. Bundesweit beteiligten sich neben den Einsatzkräften der Polizei in allen Bundesländern auch Kontrollkräfte des Bundesamtes für Güterverkehr, des Zolls und der Bundespolizei, sodass insgesamt sogar 5.600 Kräfte im Einsatz waren, wobei der Zoll nicht die Aufgabe der Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat. Im Ergebnis wurden 16.753 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei wurden 9.998 Verstöße festgestellt. Aufgrund von Mehrfachverstößen bei Fahrzeugen gibt dies aber nicht die Beanstandungsquote wieder. Diese lag wie bereits zur Halbzeitbilanz mitgeteilt bei rund 50 %.

Die Trends der ersten Meldung haben sich bestätigt: Mit 4.230 Fällen wurden am häufigsten Geschwindigkeitsverstöße festgestellt, gefolgt von Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten (1.629). Etwa gleichauf lagen Verstöße bei der Ladungssicherung (1.029) und Abstandsunterschreitungen (1.087). In insgesamt 655 Fällen wurde die Weiterfahrt untersagt. (Statistischer Hinweis für Geschwindigkeits- und Abstandsverstöße: Hier sind auch Verstöße anderer Kraftfahrzeuge als LKW eingeflossen, da auch diese verfolgt wurden, auch wenn sie nicht dem Kontrollschwerpunkt entsprachen) Es gab, wie ein Leser bereits kommentierte, offenbar kaum eine Kontrolle auf illegale Beschäftigung, Mindestlohnunterschreitung, Kabotageverstöße, Tachomanipulation, Fahrerlaubnisverstöße, HU, Handynutzung. Also keinerlei Kontrolle bezüglich einer Wettbewerbsverzerrung oder Ausbeutung. Das war vorher allerdings so angekündigt. Die Leitung der Kontrolle lag bei der Polizei, nicht beim BAG. Die geforderten Punkte sind im wesentlichen nicht deren Aufgabe. Aber auch auf Grund der polizeilichen Gesamtbilanz ist deutlich zu erkennen, dass der dauerhafte Wettbewerbsdruck sich erschreckend auf die Transportbranche auswirkt. Kontrollen dieser Art müssten öfter und unangekündigt erfolgen.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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