Die Klimaziele der EU sind gesetzt. Schwere Lkw und Reisebusse müssen ihre Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2030 bis Ende 2034 um 45 Prozent reduzieren, von 2035 bis Ende 2039 um 65 Prozent und ab 2040 um 90 Prozent. Stadtbusse müssen bis 2035 gar zu komplett emissionsfreien Fahrzeugen werden – und auch Anhänger und Auflieger haben ab 2030 ihren Teil zu einem umweltfreundlicheren Transport beizutragen.
Das Problem: Während die Hersteller bereits durch die Bank batterieelektrische Lkw zum Verkauf anbieten, hinkt der Ausbau der Ladeinfrastruktur hinterher. Laut des Verbands der europäischen Fahrzeugbauer (ACEA) müssen mehr als 400.000 batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf der Straße sein und mindestens ein Drittel aller Neuzulassungen auf emissionsfreie Modelle entfallen, um die 45-Prozent-Hürde überwinden zu können. Damit die Gleichung aufgehe, brauche es dafür europaweit mindestens 50.000 öffentlich zugängliche und für schwere Lkw geeignete Ladestationen und mindestens 700 Wasserstofftankstellen.
"Wir tragen unseren Teil dazu bei, indem wir in batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Modelle investieren und deren Produktion hochfahren, aber einfach nur ehrgeizige Ziele für die Hersteller festzulegen und auf eine reibungslose Umsetzung zu hoffen, ist keine Strategie", sagt Harald Seidel, Vorsitzender des ACEA-Vorstands für Nutzfahrzeuge und CEO des Lkw-Bauers DAF Trucks. Die ehrgeizigen Ziele müssten durch ebenso ehrgeizige Rahmenbedingungen und einen kohärenten Rechtsrahmen gestützt werden.
Europaweit 1.700 MCS-Ladesysteme nötig
Auch die Automotive-Unternehmensberatung Berylls hat eine tiefgreifende Analyse vorgelegt, die klar macht, dass es mit E-Lkw allein nicht getan ist. Für den nachhaltigen Fernverkehr wird es in Europa demnach mindestens 1.700 Megawatt Ladesysteme brauchen – bis 2030. Davon seien im Haupttransitland Deutschland über 300 Ladestellen entlang der Autobahnen nötig, in Frankreich sogar mehr als 400. Der durchschnittliche Ladestandort müsste laut der Analyse über mindestens drei Ladepunkte verfügen, um den gemittelten Ladebedarf zu decken. Steigt die Nachfrage während der Spitzenzeiten sprunghaft an, sei eine Obergrenze von 14 Ladepunkten gerechtfertigt, wenn die Wartezeit pro Lkw fünf Minuten nicht überschreiten soll, heißt es weiter. Bis 2030 müssten damit mehr als 10.000 Ladeeinheiten mit einer Ladeleistung von einem Megawatt installiert werden. Diese XXL-Ladesäulen müssten zudem anders als im Pkw-Bereich vorab gebucht werden können, um den Bedürfnissen in der Logistik gerecht werden zu können.
Immerhin: Anfang Juli haben die Bundesminister Dr. Volker Wissing (Verkehr) und Dr. Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz) den Startschuss für das neue Lkw Schnellladenetz an den Bundesautobahnen erteilt. Dies beinhaltet 350 ausgewählte bewirtschaftete und unbewirtschaftete Standorte, die mit Lkw-tauglicher Schnellladeinfrastruktur ausgerüstet werden sollen. Bis 2030 rechnet der Bund mit mehr als 29.600 Ladevorgängen von E-Lkw täglich. Geplant sind bis dahin 354 öffentliche Standorte mit 1.800 MCS-Ladepunkten für das schnelle Zwischenladen ab einem Megawatt, etwa in der Lenkzeitpause. Das soll, ebenfalls zum Stand 2030, ergänzt werden durch 2.400 CCS-Ladepunkte – einige mit 400 kW zum Zwischenladen sowie als Brückentechnologie, bis das Megawattladen in der Fläche möglich ist, aber auch mit 100 kW zum langsamen Laden in der Nacht. Die Netzabdeckung soll dann 94 Prozent betragen, die Ladebedarfsabdeckung zwei Drittel. Ein guter Anfang also, der jetzt aber auch tatsächlich in die Realität umgesetzt werden muss.