Im Kampf um Lkw-Fahrer bietet die britische Supermarktkette Tesco bis 30.9. eine Einstiegsprämie von 1.000 Pfund, das sind etwa 1.176 Euro. Damit wirbt das Unternehmen auf seiner Internetseite.
Auf der Insel gibt es Versorgungsengpässe nicht nur bei Lebensmitteln. Nach Schätzungen der Transportbranche sind etwa 100.000 Fahrerstellen unbesetzt, was unter anderem auf die Auswirkungen von Brexit und Corona-Pandemie sowie eine neue Besteuerung zurückgeführt wird.
Charme-Offensive - Fahrer als "Botschafter"
Tesco begegnet dem Problem Fahrermangel aber nicht nur mit einer Geldprämie sondern auch mit einer Charme-Offensive. „Als Tesco-Lkw-Fahrer sind Sie das Gesicht des Verteilzentrums und ein Botschafter auf unseren Straßen. Sie spielen eine wichtige Rolle für unsere Kunden und Gemeinden und repräsentieren Tesco auf den Autobahnen und Nebenstraßen des Vereinigten Königreichs“, heißt es in den Stellungsausschreibungen des Unternehmens.
Vermittlungsagenturen in der Kritik
Heftige Vorwürfe beim Anwerben von Fahrern werden britischen Medien zufolge den Zeitarbeitsfirmen und Vermittlungsagenturen gemacht. Spediteure werfen ihnen danach vor, ein „Fahrerkarussel“ zu betreiben, dass den Mangel an Arbeitskräften künstlich vergrößere. Die Branche verliere zunehmend das Vertrauen in die Agenturen, berichtet die Plattform „The Loadstar“. So werde beispielsweise die Taktik angewendet, dass spärlich bekleidete Frauen an Hafeneinfahrten auf- und abliefen und auf Plakaten mit der Überschrift „Driver wanted“ (Fahrer gesucht) Wochenlöhne von 900 Pfund (über 1.000 Euro) anböten, hätten Transporteure berichtet.
Neue Fahrertarifverträge - Kopplung an Gewinn
Erste Unternehmen hätten als Konsequenz aus der schwierigen Lage einen neuen Fahrertarifvertrag eingeführt hat, der Löhne und Prämien an den Unternehmensgewinn koppele. Das soll die Abhängigkeit von den Agenturen vermindern. Aufgrund des starken Wettbewerbs gebe es derzeit mehr als viermal so viele Online-Stellenanzeigen für Transport-, Logistik- und Lagerarbeiter als vor der Pandemie, berichtet die Zeitung „The Guardian“. Nach Angaben des britischen Statistikamtes sei das der höchste Anstieg aller Branchen. Insider hätten von einen Plus bei den Fahrerlöhnen von zehn bis 20 Prozent gesprochen, die aber nicht zu ausreichenden Neueinstellungen geführt hätten.
Lieferanten zahlen Zuschlag für Transport
Bereits vergangene Woche wurde danach bekannt, dass die Supermarktketten Asda, Tesco und Sainsbury's von einigen Lieferanten Aufpreise im zweistelligen Prozentbereich verlangen, um die gestiegenen Lieferkosten zu decken. Die Regierung hatte versucht, das Problem zu entschärfen, indem sie die Regeln zu den Lenk- und Ruhezeiten vorübergehend lockerte.
Ausnahmen von der Quarantäne
Die Branchenverbände fordern weiterhin, dass Fahrer vom europäischen Festland eine Arbeitserlaubnis für Großbritannien erhalten sollten, damit sie zurückkehren können. Bei diesem Thema aber stellte sich die Regierung bislang taub. Immerhin kann es inzwischen Ausnahmeregeln für Fahrer bei den Corona-Bestimmungen geben. Wenn sie zwei Mal geimpft sind, müssen sie sich nach einem von einer App festgestellten Kontakt mit einer infizierten Person nicht mehr grundsätzlich für zehn Tage in Quarantäne begeben.