Kabotage-Kontrollen durch das BAG Die Logistik ist ein langer Fluss

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Während das Bundesamt für Güterverkehr verstärkt die Kabotage durch gebietsfremde Lkw-Fahrer kontrolliert, hamstern die Verbraucher zum zweiten Mal in diesem Jahr Klopapier. In der nächsten Folge von FERNFAHRER live diskutieren wir daher u.a. mit Staatssekretär Steffen Bilger, BAG-Präsident Andreas Marquardt, BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt sowie Unternehmern und Fahrern, ob Politik und Logistik den drohenden nächsten Corana-Engpass besser in den Griff bekommen werden.

Die Corana-Krise von März und April ist eigentlich noch gar nicht vorbei. Zumindest was die Auswirkungen des ersten Lockdowns für die heimische Transportbranche bedeutet. Um die Lieferketten aufrecht zu erhalten, hatte das Bundesverkehrsministerium mit einer kurzfristig beschlossenen Lockerung der Kabotageregeln für den ersten Unmut bei Verbänden und vor den heimischen Transportunternehmern gesorgt. Es kam zu einem massiven Preisverfall auf dem nationalen Frachtmarkt, insbesondere über die Frachtenbörsen. Schnell wurden die üblichen Verdächtigen ausgemacht und in den sozialen Medien angeprangert: die osteuropäischen Frachtführer, die mit ihren Dumpingpreisen dank massiv ausgebeuteter Fahrer unkontrolliert nach Herzenslust legale oder eben auch illegale Kabotage betreiben würden.

Schärfere Kontrollen bringen höhere Kabotagezahlen

Das BMVI wies daher bereits im April das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) zu einer ersten Schwerpunktkontrolle an. Mittels zweier Demos in Berlin forderten vor allem kleine und mittelständische Frachtführer noch deutlich schärfere Kontrollen durch das zuständige BAG und, in einer schlussendlich nicht zur Entscheidung angenommenen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einen zeitlich begrenzten gänzlichen Stopp der Kabotage.

Bei der vorletzten Kontrolle mit dem Fokus auf die Kabotage war das Ergebnis recht eindeutig: Von insgesamt 982 kontrollierten Fahrzeugen wurden 933 auf die Einhaltung der Kabotagebestimmungen überprüft. 225 dieser Fahrzeuge haben Kabotagefahrten durchgeführt, 70 davon unter Missachtung der Vorschriften.

Das falsche Bild im Kopf

Die anschließende Diskussion mit Bernd Krekeler, Abteilungsleiter für den Straßenkontrolldienst des BAG, brachte zunächst eine klare Aussage der Oberbehörde des BMVI. Wenn ausschließlich Kabotage kontrolliert wird, dann ist natürlich der Anteil der festgestellten Verstöße auch höher. Das ist wie bei den rund 25 Prozent der manipulierten Tachografen, die neulich wieder als Zahl durch eine TV-Reportage des SWR geisterte und einen Zusammenhang mit illegalem Wettbewerb und erhöhten Lkw-Unfällen herleiten wollte. So entsteht allerdings ein falsches Bild im Kopf.

In meinen Beitrag „Bauchgefühl und Dunkelziffern“ hatte ich die Problematik bereits thematisiert. „In vielen Fällen“, berichtete Krekeler anlässlich der letzten Kontrolle, „in denen wir nach vorherigen Meldungen von Fahrern oder Unternehmern eine Kontrolle vor Ort gemacht haben, konnte sich der Verdacht nicht erhärten.“

Die jüngsten Kontrollzahlen

Mittlerweile liegen die gesamten Zahlen der bislang achten Schwerpunktkontrolle vor. Daran nahmen allein 114 Beschäftigte des Straßen- und Mautkontrolldienstes sowie des Betriebskontrolldienstes des BAG teil. Einige Kontrollen wurden auch unter Beteiligung von Beamten der Polizei und des Zolls durchgeführt. Von insgesamt 494 kontrollierten Fahrzeugen wurden 453 auf die Einhaltung der Kabotagebestimmungen überprüft. 101 dieser Fahrzeuge haben Kabotage durchgeführt. 29 dieser Beförderungen fanden unter Missachtung der Kabotagevorschriften statt. An Sicherheitsleistungen wurden unter Berücksichtigung aller kontrollierten Rechtsgebiete insgesamt ca. 21.200 € vereinnahmt, so die offizielle Bilan.

Ziele der Kontrollen waren insbesondere Güter- und Logistikzentren sowie Versandhandelsunternehmen (z.B. Frachtdienstleister, Online-Händler, der Hafen Trier). Einzelne Kontrollen erfolgten in räumlicher Nähe zu den Werken von Automobilherstellern und -zulieferern. „Das Bundesamt setzt auch in Zeiten der Corona-Pandemie den staatlichen Kontrollauftrag konsequent um“, heißt es vom BAG.

Amazon-Trailer mit polnischer Zugmaschine und ukrainischem Fahrer

Das Reporterglück wollte es, dass dabei ein blauer, in Deutschland zugelassener Trailer des Logistikkonzerns Amazon, gezogen von einem polnischen Frachtführer und mit einem Fahrer aus der Ukraine an Bord, aus dem rollenden Verkehr der A1 geleitet worden ist. Der US-Konzern, einer der ausgewiesenen Gewinner der letzten Corana-Krise, ist dabei, ähnlich wie seine vielen litauischen und lettischen Frachtführer, ein rotes Tuch für die deutsche Transportbranche und deren Fahrer zu werden, die immer wieder von den einzelnen Amazon-Standorten berichten, dass sie dort so gut wie neu deutsche Frachtführer anträfen. Auch ein sonntäglicher Besuch bei Amazon in Dortmund ließ Branchenkenner aufhorchen.

Nur Betriebskontrollen bringen Wahrheit ans Licht

Doch bei der BAG-Kontrolle an der A1 stellte sich nun heraus, dass der Lkw nach einer grenzüberschreitenden Tour erst drei nationale Touren gefahren war. „Erst bei einer späteren Betriebskontrolle können wir feststellen, ob die dann vierte Tour wieder Kabotage ist oder nicht“, erklärte Krekeler vor Ort. In einem anderen Fall habe ein gebietsfremder Lkw im Auftrag von Amazon 28 Mal nationale Touren gefahren.

Daraufhin habe ich die Amazon-Pressestelle konfrontiert. Die Antwort ist wenig überraschend. „Uns wurden keine Fakten zur Verfügung gestellt, damit wir diese Vorwürfe prüfen konnten. Amazon arbeitet mit einer Vielzahl von Logistikpartnern zusammen, um Pakete zu den Kunden zu bringen. Unsere Partner sind verpflichtet, sich an die geltenden Gesetze und den Verhaltenskodex für Amazon-Lieferanten zu halten, der den Schwerpunkt auf faire Löhne, Sozialleistungen, angemessene Arbeitszeiten und Vergütung legt.“

Europäisches Netzwerk

Weiter heißt es von Amazon: „Wir betreiben ein europäisches Netzwerk, das Kunden in Europa bedient. Das bedeutet, dass wir Pakete zwischen unseren Gebäuden in ganz Europa transportieren. Grundsätzlich haben wir aber keine Präferenz in Bezug auf die Herkunft der Logistikunternehmen und arbeiten mit Tausenden Partnern unterschiedlicher Herkunft zusammen. Wir schließen regelmäßig neue Kooperationen in ganz Europa. In diesem Jahr haben wir Hunderte von Partnern allein aus Deutschland aufgenommen. Wir zahlen unseren Partnern faire Marktpreise, die es ihnen erlauben, Löhne zu zahlen, die weit über dem nationalen Mindestlohn liegen und eine positive Marge haben. Wir erwarten, dass unsere Partner die Fracht zwischen den Amazon Standorten basierend auf europäischen Regelungen in Bezug auf die Arbeitszeit und die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten transportieren. Wir prüfen unsere Partner und wir greifen durch, wenn wir feststellen, dass ein Partner unsere vertraglichen Anforderungen nicht erfüllt. Das kann eventuell bedeuten, dass die Kooperation beendet wird.“ Dazu habe ich wiederum keine Fakten zur Verfügung gestellt bekommen.

Die gewonnenen Kontrollergebnisse werden ausgewertet und in die nun anstehenden Betriebskontrollen im Zusammenhang mit der Beauftragung unerlaubter Kabotage mit einfließen“, erklärt das BAG weiter. „Mit Blick auf die erfolgreich durchgeführten Maßnahmen sind weitere Kontrollaktionen in den nächsten Monaten in Bezug auf die Einhaltung der Kabotagebestimmungen vorgesehen. Die bundesweite Fortführung derartiger Kontrollen ist fester Bestandteil der künftigen Planung.“

Michael Finkbeiner Foto: Michael Finkbeiner

Derweil schwindet bereits in immer mehr Läden das Klopapier, wie es in den sozialen Medien aktuell verbreitet wird. So fing das Chaos der ersten Corona-Krise an.

Terminhinweis

Am Donnerstag, 22. Oktober 2020, ab 17 Uhr diskutieren wir bei FERNFAHRER Live mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger, dem BAG-Präsidenten Andreas Marquardt, dem BGL-Vorstandsprecher Prof. Dirk Engelhardt, dem Experten für Sozialvorschriften, Götz Bopp, dem Transportunternehmer Markus Grenzer, dem selbstfahrenden Unternehmer Michael Finkbeiner und dem Lkw-Fahrer Sven Fritzsche für die Kraftfahrerkreise.

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