Kabotage in Deutschland Signifikante Marktanteile

Jan Bergrath Foto: Privat
Meinung

Laut Informationen aus Straßburg werden die Triloge zum Mobilitätspaket wohl an den verhärteten politischen Fronten scheitern. Bei der Frage der Kabotage gibt es vor allem für die großen osteuropäischen Flottenbetreiber in Deutschland längst Alternativen. Nur konsequente Kontrollen können weitere Verluste der Marktanteile für hiesige Speditionen verhindern.

Als langjähriger Journalist habe ich mittlerweile ein großes Netzwerk an unterschiedlichen Menschen aus der Transportwirtschaft, die mir gelegentlich Informationen anvertrauen, an die man sonst nicht so leicht kommt. So liegt mir auch das Foto eines Frachtbriefes vor, verziert mit dem bekannten Logo des litauischen Transportriesen Girteka. Handschriftlich ausgefüllt. Da ich meine Quellen schütze, verrate ich nicht, woher ich das Dokument habe. Nur so viel: Es geht um eine Tour mit einem Sattelzug mit litauischen Kennzeichen von Köln in das Amazon-Distributionszentrum in Dortmund. Aktuell hat Amazon zwölf Logistikzentren, drei Sortierzentren und neun Verteilzentren am Netz, wie es das Magazin „Internetworld“ unlängst veröffentlicht hat.

Drei innerdeutsche Touren sind erlaubt

In unserer mittlerweile beendeten EU-Serie im FERNFAHRER über die erst seit Oktober laufenden Trilog-Verhandlungen zum Mobilitätspaket haben wir das dazu gehörende Foto eines litauischen Girteka-Lkw bei Amazon bereits gezeigt. Im Beitrag „Wettbewerbsvorteil Kabotage“, den ich zusammen mit Götz Bopp von der IHK der Region Stuttgart verfasst habe, haben wir beschrieben, was derzeit erlaubt ist - und was in Zukunft hätte möglich sein können, wenn sich Parlament und Rat geeinigt hätten.

Das ist, wie es ein aktuelles Video von einem sichtlich enttäuschten Berichterstatter Ismail Ertug aus Straßburg zeigt, offenbar nicht möglich. Die finnische Ratspräsidentschaft hat die Gespräche vorerst beendet. Die roten Linien der politischen Fragen zwischen den Blöcken aus Ost und West lagen zu weit auseinander. Das war allerdings nicht überraschend.

Vorerst bleibt es beim Status Quo. Die Faustregel zur legalen Kabotage heißt so weiterhin: Innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt mit einem unbeladenen Fahrzeug in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates kann eine Kabotagebeförderung durchgeführt werden. Wenn zuvor aber eine grenzüberschreitende Beförderung stattgefunden hat, können nach der Entladung hingegen drei Kabotagefahrten binnen sieben Tagen durchgeführt werden.

Girteka antwortet - jedenfalls ein wenig

Zur Aufgabe des Journalismus gehört es, demjenigen, über den man kritisch schreibt, eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. So habe ich selbstverständlich bei Girteka in Litauen nachgefragt, wie man es dort mit der innerdeutschen Kabotage insbesondere für Amazon hält. Die Antwort kam prompt. „Um die Anforderungen unserer Kunden für nationale Transporte in Deutschland zu gewährleisten, haben wir eine signifikante Zahl von Lkw mit deutschen Kennzeichen zugelassen. Mehr können wir aufgrund der Vertraulichkeit unserer Geschäftsbeziehungen nicht kommentieren. Grundsätzlich sagen wir, dass die Mehrheit unserer nationalen Transporte mit in Deutschland zugelassenen Lkw durchgeführt wird. Nur bei unerwarteten, über dieses Kontingent hinausgehenden Anfragen und wenn wir einen litauischen Lastzug verfügbar haben, setzen wir diesen für Kabotagetransporte ein.“

Eine Aufgabe für die Task Force

Was ist signifikant? Es sind diese immer gleichen wachsweichen Antworten, bei denen der Journalismus nicht weiter kommt und die zuständigen Kontrollbehörden eingreifen müssen, um letzten Endes zu überprüfen, ob solche Aussagen stimmen. Ich persönlich bin viel auf deutschen Autobahnen unterwegs und habe noch nie einen Girketa-Lkw mit einem deutschen Nummernschild gesehen. Man kann durchaus sagen, ich bin auf diese Lkw ein klein wenig fixiert. Meine aktuelle Nachfrage in Litauen, wie viele in Deutschland zugelassene Lkw es denn nun wirklich sind, blieb allerdings trotz Fristsetzung unbeantwortet.

Was also tun? Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), weist gern auf die 2018 gegründete „Task Force“ gegen Schwarzarbeit, illegale Kabotage und Mindestlohnverstöße hin. „Schimpft nicht nur, sondern handelt“, lautete seinerzeit die Empfehlung an die deutschen Transport- und Logistikunternehmer. Seinen Erfahrungen nach, so heißt es, gehen die zuständigen Kontrollbeamten den Hinweisen umgehend nach. Ich habe das nun auch einmal probiert, und beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) mit Hinweis auf den Frachtbrief angeregt, vielleicht doch einmal zu überprüfen, ob die Lkw von Girteka signifikant für legale oder illegale Kabotage eingesetzt werden.

Das Bundesamt schweigt – gibt aber einen interessanten Hinweis

Leider ist es so, dass Kontrollbehörden Informationen aller Art gerne entgegennehmen, aber beharrlich schweigen, wenn es darum geht, zu verraten, was eine Kontrolle am Ende ergeben hat. Also lernt man, als Journalist im Nachgang zur konkreten Frage grundsätzliche Fragen zu stellen – und bei den Antworten zwischen den Zeilen zu lesen. Meine grundsätzliche Frage an das BAG zum Thema Kabotage bei osteuropäischen Frachtführern mit Niederlassungen in Deutschland wurde nun aktuell wortwörtlich so beantwortet:

„Sofern der "deutschen Niederlassung" eine Gemeinschaftslizenz erteilt ist und dieses Unternehmen Beförderer ist, kann es Fahrzeuge anmieten, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind. Gemäß § 20 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) dürfen diese Fahrzeuge vorübergehend (bis zu einem Jahr) am Verkehr im Inland teilnehmen. Nähere Einzelheiten können dem beigefügten Text des § 20 FZV entnommen werden.“ Diese Einzelheiten finden sich hier. Mit der Info, was es kostet, wenn man dagegen verstößt.

Der Zoll darf jetzt bei im EU-Ausland ansässigen Transportunternehmen prüfen

Gut, ich habe nicht erwartet, dass mir Girteka auf meine Nachfrage bestätigt, dass man auch auf diese Möglichkeit zurückgreift. Es dürfte für die großen osteuropäischen Player der internationalen Ladungsverkehre allerdings ein Leichtes sein, eine signifikante Zahl an Lkw etwa aus dem eigenen litauischen oder polnischen Fahrzeugpool zurück zu mieten, die Touren von der deutschen Niederlassung zu planen und dann noch nicht einmal Kabotage sondern mit in Osteuropa zugelassenen Lkw legale nationale Transporte durchzuführen. Besonders bei mehr als 5.000 eigenen Lastzügen. Für die hier dann beschäftigten litauischen oder jüngst vor allem ukrainischen Fahrer ist allerdings der Mindestlohn fällig. Und nach einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Münster dürfen Zollämter vorläufig bei im EU-Ausland ansässigen Transportunternehmen Prüfungen nach dem Mindestlohngesetz durchführen.

Die entscheidende Frage

Entscheidend ist allerdings die Frage, wie viele Genehmigungsabschriften etwa Girteka in Deutschland besitzt. Laut eigener Auskunft sitzt die deutsche Niederlassung von Girteka in Schleswig-Flensburg. Man wolle sich einen signifikanten Anteil des Ladungsverkehrs in Deutschland sichern, hatte 2018 der damalige Sprecher des Unternehmens, Kristian Kaas Mortensen, verkündet. Mittlerweile ist er der Chefstratege des weißen Riesen. Schon damals hielt er sich bedeckt, ob Girteka mehr als die zwei Fahrzeuge mit dem Kennzeichen „SL“ einsetzt.

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath

Nachfrage bei Amazon

Und hier kommt nun der Auftraggeber ins Spiel – Amazon. Der US-Gigant setzt nämlich neben Girteka für seine Touren eine weitere signifikante Zahl von lettischen und litauischen Frachtführen ein, die mit in Osteuropa zugelassenen Zugmaschinen und den in Deutschland zugelassenen zweiachsigen „Prime“-Trailern auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Um es kurz zu machen, die Antwort der Pressestelle von Amazon in München, wie viele Lkw von osteuropäischen Frachtführern zwischen welchen Depots im nationalen Transport eingesetzt werden, hat mich nach einem Tag Bedenkzeit nicht wirklich überrascht. Sie lautet: „Amazon arbeitet mit einer Vielzahl von Partnern zusammen, um Pakete zu den Kunden zu bringen. Unsere Partner sind verpflichtet, sich an die geltenden Gesetze und den Verhaltenskodex für Amazon Lieferanten zu halten, der Schwerpunkt auf faire Löhne, Sozialleistungen, angemessene Arbeitszeiten und Vergütung legt.“ Klingt fast wie abgesprochen.

Gerade auch angesichts der erschreckenden Neuigkeit aus Straßburg kann ich hier nur sagen, dass eine konsequente Kontrolle durch die deutschen Behörden nun umso wichtiger wird. Sonst passiert das, was mir ein gut bekannter Spediteur kürzlich anvertraut hat: Dass er bei Ausschreibungen in letzter Zeit immer wieder zu hören bekam, dass er um das 2,5-fache teurer sei. Und dessen Fahrer nun berichten, dass an den Rampen der langjährigen Kunden immer öfter die Lkw der großen osteuropäischen Frachtführer auftauchen.

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