Interview mit dem Aalener Spediteur Dr. Stefan Brucker: „Dann eben 100 Lkw weniger“

Interview mit dem Aalener Spediteur Dr. Stefan Brucker
„Dann eben 100 Lkw weniger“

Der Aalender Spediteur Dr. Stefan Brucker im Gespräch mit trans aktuell über Expansion, nachhaltige Logistik und wie sich unnötige Fahrten vermeiden lassen.

Dr. Stefan Brucker, Geschäftsührer der Spedition Brucker in Aalen
Foto: Karl-Heinz Augustin
trans aktuell: Herr Dr. Brucker, haben Sie als Geschäftsführer einer Spedition mit knapp 800 Mitarbeitern eigentlich einen 24/7-Job?

Dr. Brucker: Ich habe tolle junge Mitarbeiter, die bereit sind, Verantwortung und auch Aufgaben zu übernehmen. Die haben wir selber ausgebildet. Sie kennen unsere Philosophie und entlasten mich auch. Aber ja, ich bin rund um die Uhr erreichbar. Alle Fahrer haben meine Handynummer. Ein großer Teil der Kommunikation vollzieht sich auch über Facebook. Es ist nun mal das Medium der Fahrer.

Apropos Personal: Führen Sie Gespräche selber, wenn sich Leute für bestimmte Positionen bewerben und sich vorstellen?

Wir haben eine sehr professionelle Personalabteilung mit Personalmarketing und Fahrercenter.Jedoch bin ich nach wie vor auch sehr viel in solchen Gesprächen dabei, insbesondere wenn es um besondere Einsatzzwecke geht.

Worauf achten Sie?

Ich schaue mir keine Zeugnisse an. Allerdings achte ich sehr auf Benehmen und Umgangsformen und darauf, ob die Leute motiviert sind. Kenntnisse sind nicht in erster Linie entscheidend. Wenn jemand Lust hat, kann man alles beibringen.

Sie führen das Unternehmen gemeinsam mit Ihrem Bruder Arno. Wie sieht die Aufgabenteilung aus?

Mein Bruder Arno sitzt hier im Büro direkt gegenüber. Er macht den ganzen administrativen Bereich, also beispielsweise IT, Finanzen und Einkauf. Ich kümmere mich um den operativen Bereich, also Vertrieb, Logistik und Transport.

Die Spedition Brucker expandiert. Im Jahr 2016 wurde ein Standort in Bietigheim-Bissingen eröffnet, 2021 in Reutlingen. Wie kam es dazu?

Ohne eine gewisse Spezialisierung geht es nicht. Unsere Stärke im Transportbereich ist die Teilladung und der Werkverkehr. Die Teilladungen können auch Überlängen oder Überbreiten haben oder besondere Kundenbedürfnisse wie die Anlieferung mit Mitnahmestapler erfordern. Zudem bieten wir sehr individuelle Dienstleistungen im Bereich der Kontraktlogistik. Hier wachsen wir momentan überproportional. Momentan bauen wir in Schwäbisch Gmünd eine 24.000 Quadratmeter große Halle mit großen Reinigungsanlagen für die Behälterreinigung für Kleinladungsträger (KLT). In Sachen Kontraktlogistik wachsen wir außerdem an unseren Standorten in Lorch, Neckartenzlingen und Öhringen. Ab Januar 2023 erweitern wir unsere Flächen in Ellwangen nochmals und weitere Projekte stehen auch schon wieder an. Außerdem sind wir jetzt sehr stark auch im Bereich der Recyclingtransporte mit Abroll- und Absetzkipper, Kippsattel und Steillader unterwegs. Hierfür und auch sonst den Fuhrpark zu erweitern, ist sehr schwierig.

Inwiefern?

Vergangenes Jahr habe ich in Summe 64 Lkw bestellt. Die hätte ich eigentlich dieses Jahr bekommen sollen. Jedoch erhalte ich nun kein einziges Fahrzeug. Nur DAF hat jetzt acht Fahrzeuge geliefert. Die habe ich zusätzlich geordert, weil Andere nicht liefern können. Die Lieferengpässe haben meiner Ansicht nach gar nicht so viel mit den aktuellen Krisen zu tun, sondern mit Planungsfehlern und Fahrlässigkeiten bei den Herstellern.

Ihr Fuhrpark umfasst mittlerweile 285 Lkw. Haben Sie die Fahrzeuge gekauft oder geleast?

Natürlich gekauft. Ab dem fünften Jahr verdiene ich beim Kauf Geld mit den Lkw, denn dann sind sie abgeschrieben. Beim Leasing ist es hingegen so: Wenn ich einen Lkw nach vier oder fünf Jahre zurückgebe, dann weist der Lkw naturgemäß Kratzer und Beulen auf. Dann ist es teuer, diese Schäden zu bezahlen. Das habe ich beim Kauf alles nicht. Leasing ist die teuerste Form der Finanzierung.

Wie geht es Ihnen mit den gestiegenen Kosten für Diesel und Adblue?

Aktuell sprechen wir wegen Energie- und anderweitiger Kostensteigerungen mit unseren Kunden über eine Preiserhöhung um die 15 Prozent. Den gestiegenen Dieselpreis können wir größtenteils über Floater abfedern. Die Bundesregierung hat wahrscheinlich wenig Interesse daran, den Dieselpreis zu deckeln. Denn je teurer der Kraftstoff ist, desto höher sind die staatlichen Einnahmen.

Wie steht's Ihrer Ansicht nach um alternative Antriebe?

Ich glaube schon, dass Wasserstoff eine Zukunft hat. An den reinen Elektro-Lkw glaube ich nicht. Wo soll denn der Strom her kommen? Wenn ich meine 285 Lkw ans Stromnetz anschließe, dann ist es hier in Aalen dunkel. Das kann nicht funktionieren. Und auch die Kunden spielen nicht mit. Ein E-Lkw ist deutlich teurer als ein Diesel. Kein Kunde ist bereit, die Mehrkosten zu bezahlen. Wir haben das bei unseren Kunden, für die wir im Regionalverkehr fahren, abgefragt.

Wie verfahren Sie bei sich im Unternehmen?

Um E-Mobilität zu testen, werden wir an unserem neuen Standort in Schwäbisch Gmünd Ladestationen montieren sowie eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installieren.

Spediton Brucker
Spedition Brucker
Auf Expansionskurs: Die Spedition eröffnete zuletzt neue Standorte im süddeutschen Raum, unter anderem in Schwäbisch Gmünd. Hier im Bild der Standort Reutlingen.
Welcher Weg ist aus Ihrer Sicht grundsätzlich sinnvoll?

Die Autobahnen wie auch das übrige Wegenetz sind überlastet. Nachhaltigkeit besteht nicht in erster Linie darin, alternative Antriebe zu entwickeln, sondern Verkehre zu vermeiden. Und das sage ich als Spediteur. Das heißt, ich, säge eigentlich an dem Ast, auf dem ich sitze. Dann habe ich eben 100 Lkw weniger. Das bedeutet, wir müssen unser privates Anspruchsdenken deutlich zurückschrauben. Dann kommen wir auch auf das Entscheidende: Heute bestellt jeder bei Amazon. Jeden Abend fahren Fiat Ducato mit „Prime“-Aufschrift durch die Wohngebiete. Und das nur, weil jeder heute bestellt und am nächsten Tag schon geliefert haben möchte. Und ein weiterer Punkt: Discounter haben schon gar keine Lagerfläche mehr. Bestellt wird nur noch eine Palette pro Produkt und die muss dann jeden Tag dorthin geliefert werden. Diesen Güterstruktureffekt kennen wir auch im Handel und der Industrie.

Haben die Krisen der vergangenen Jahre den Fahrermangel zumindest ein bisschen entschärft?

Die Knappheit nimmt nach wie vor zu. Dieses Jahr kamen zwar sechs Berufskraftfahrer-Azubis zu uns. Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Müssen Sie Fahrzeuge auch stehen lassen?

Ja. Wir haben jetzt im Sommer während der Urlaubszeit im Schnitt zwischen fünf und zehn Lkw stehen gehabt.

Wie sieht Nachhaltigkeit bei Ihnen im Unternehmen aus?

Nachhaltig wirtschaften heißt bei uns, stark regional tätig zu sein, vor allem in Baden-Württemberg und teilweise in Bayern. Und wie schon erwähnt, Verkehre einzusparen. Bei uns fahren Lkw drei Jahre im Fernverkehr, insgesamt rund 270.000 Kilometer. Mehr nicht. Und nach den drei Jahren geht unser eigener Fuhrpark dann in unsere zweite Abteilung, nämlich in die Werkverkehre. Und da fahren die Lkw dann noch mal fünf oder sechs sechs Jahre. Das heißt, bei uns wird der Lkw bis zu neun Jahre genutzt, weist aber bei der Ausmusterung nur etwa 700.000 Kilometer Laufleistung auf.

Welchen Beitrag kann der Schienenverkehr leisten?

Die Bahn macht Sinn im Massengutbereich, keine Frage. Aber bei dem hohen Anspruchsdenken, den viele Konsumenten haben - Stichwort Amazon - ist die Bahn viel zu unflexibel.

Das Unternehmen

  • Gegründet 1906 in Aalen. Bis heute Hauptsitz.
  • Geschäftsführer: Dr. Stefan Brucker und sein Bruder Arno Brucker
  • Mitarbeiter: 720
  • Fuhrpark: 285 eigene Fahrzeuge, etwa 100 Transportunternehmer-Fahrzeuge
  • Schwerpunkte: Sammelladungs- und Teilladungsverkehre, Werkverkehre und Linienverkehre, Kontraktlogistik und Lagerlogistik
  • Langmaterial im Teilladungsbereich und im
  • Stückgutbereich
  • – empfindliche und komplexe Güter
  • – terminempfindliche Güter, die mit Mitnahmestapler zugestellt werden müssen
  • Für 2022 werden 20 Prozent Umsatzwachstum erwartet,
  • 162 neue Mitarbeiter im Jahr 2022 eingestellt
  • Unternehmenseigene Brucker-Akademie (Braka) steht internen und externen Interessenten offen