Group7 profitiert von Brexit und Nachhaltigkeitszielen Raum für Wachstum

Foto: Lukas Barth-Tuttas, Group7

Group-7-Vorstand Günther Jocher über Lieferkettenprobleme und eine erfolgreiche Standortsuche.

trans aktuell: Herr Jocher, aktuell legt die Omikronvariante von Covid viele Betriebe still. Wie steht es um Group7?

Jocher: Wir haben vereinzelt Fälle, aber das lässt sich gut eingrenzen. Wir haben bereits ganz zu Anfang der Pandemie an unseren Standorten für die gewerblichen Mitarbeiter ein Zweischichtmodell eingeführt mit jeweils einer halben Stunde zwischen Schichtende beziehungsweise -anfang, sodass sich die Mitarbeiter nicht begegnen. Damit haben wir gute Erfolge.

Wie lautet Ihre Bilanz für 2021?

Es war ein sehr herausforderndes Jahr mit Corona und den globalen Lieferkettenproblemen in der See- und Luftfracht. Gleichzeitig ist auch im vergangenen Jahr der E-Commerce sehr stark angesprungen. Ebenso enorm sind 2021 durch den Brexit die Verkehre nach UK angestiegen, was wir vor allem an unserem Standort Frankfurt gespürt haben. In Vorbereitung auf den Brexit hatten sich viele Unternehmen für einen neuen Logistikstandort in Zentraleuropa entschieden. Aber unsere Zollabteilung war optimal vorbereitet, und das alles zusammen hat uns einen enormen Zuwachs gebracht.

Was erwarten Sie 2022?

Das Thema Lieferkettenprobleme wird sicher weiter anhalten inklusive der teuren Containerraten, des Containermangels und der Schiffsverspätungen, denn China fährt ja seine Null-Covid-Strategie weiter und fährt gegebenenfalls auch Millionenstädte samt der Infrastruktur wie Häfen herunter. Wir als Logistiker stehen also weiter im Spannungsfeld zwischen von uns nicht zu verantwortenden Produktverspätungen, verspäteten Sendungen und höheren Preisen. Das ist eine besondere Herausforderung, vor allem in Bezug auf unsere Kunden aus den Bereichen Fashion, Sport, Outdoor und Elektronik.

Aktuell bauen Sie am Standort Hamburg – für den eben erwähnten Kundenkreis?

Ja, für den neuen Standort in Hamburg haben wir bereits konkrete Kunden. Diese Vorplanung ist die Regel bei unseren Bauprojekten. Der Neubau in Hamburg wird aber nicht nur als Logistikzentrum dienen, sondern durch die Nähe zum Hafen auch als weiteres Gateway für unsere europäischen Verkehre. Diese Strategie macht auch in Bezug auf unsere UK-Kunden Sinn. Letztlich war der Neubau unumgänglich, weil wir an dem Standort in allen Bereichen sehr stark gewachsen sind. Künftig haben wir allein 2.000 Quadratmeter Bürofläche in Hamburg für unser Speditionsgeschäft, neben 26.000 Quadratmeter Logistikfläche.

Mit Kontraktlogistikleistungen?

Natürlich, das ist immer Bestandteil unseres Angebots. Beispielsweise bieten wir Montagearbeiten an, konfigurieren Produkte entsprechend den europäischen Zielländern, bringen Etiketten an und offerieren weitere Mehrwertdienstleistungen. Insgesamt werden rund 200 Mitarbeiter an dem neuen Standort beschäftigt sein.

Foto: Lukas Barth-Tuttas, Group7
36 Millionen Euro beträgt die Investitionssumme von Group7 für das neue Logistikcenter in Hamburg.
Wie schwer war es denn, einen passenden Standort zu finden?

Wir haben sicher sieben oder acht Jahre nach einem passenden Grundstück gesucht. Wir sind ja schon seit 2006 in Hamburg mit einer Niederlassung vertreten, was auch wichtig war. Denn ausschlaggebend für das neue Grundstück war letztlich unsere langfristige Unternehmensstrategie. Wir sind ein inhabergeführtes Familienunternehmen, und damit haben wir auch bei der Stadt gepunktet. Und für uns bedeutet die eigene Immobilie mehr Flexibilität, die wir unseren Kunden anbieten können. Beispielsweise haben wir am Standort Neuss in das Logistiklager eine Bühne mit weiteren 5.000 Quadratmetern eingebaut. Eine solche Investition muss langfristig angelegt sein, um sich zu rentieren. Wenn man eine Immobilie allerdings nur mietet, läuft so eine Erweiterung auf einen langwierigen und teuren Prozess mit dem Bauträger oder Vermieter hinaus.

Gebaut wird nachhaltig, geplant ist auch eine Fotovoltaikanlage. Reicht das für den eigenen Bedarf?

Ja, die Fotovoltaikanlage auf der Dachfläche ist für die Eigenversorgung gedacht und hat eine Leistung von 1,5 Megawatt Peak. Damit sparen wir pro Jahr rund 115 Tonnen CO2 ein und decken zugleich unseren Strombedarf zu 100 Prozent. Auch die Dachbegrünung ist Teil unseres Konzepts zur CO2-Einsparung. Insgesamt werden 3.400 Quadratmeter Dachfläche begrünt. Das wirkt nicht nur als grüne Lunge, sondern dämmt auch und spart daher CO2 ein.

Inwiefern gehen auch die Kundenanforderungen in diese Richtung?

Unsere Kunden legen einen sehr, sehr großen Wert auf Nachhaltigkeit, allen voran die namhaften Marken etwa aus dem Konsumgüterbereich. 25 Prozent der Anforderungsprofile der Kunden betreffen inzwischen das Thema Nachhaltigkeit. Dazu trägt sicher auch unser CO2-Rechner bei, den wir schon seit 2012 anbieten. Unsere Kunden lassen sich damit etwa schon eine CO2-Kalkulation für den Transport im Voraus machen. Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns als Unternehmen und auch für mich als Familienvater sehr wichtig. Daher wollen wir mittelfristig 2023 einen Plan vorstellen, wie uns die Wende zum CO2-neutralen Arbeiten gelingen soll. Wichtig ist uns aber im Sinne der Nachhaltigkeit auch, unsere gute Firmenkultur fortzuführen, bei der die Wertschätzung der Mitarbeiter ganz oben steht. Das ist nicht zuletzt in Zeiten des Fachkräftemangels ein Vorteil.

Ein Thema in der Kontraktlogistik ist auch der Einsatz neuer Technologien, etwa Drohnen oder 3-D-Druck. Wie steht es damit bei Group7?

Seit dem Jahr 2020 setzten wir erfolgreich Drohnen für Onlineinventuren ein. Damals war klar, dass wegen der Pandemie keine Wirtschaftsprüfer für eine Inventur vor Ort kommen konnten. Also haben wir für die Inventur sogar in den Schmalgangbereichen Drohnen eingesetzt, die die Bestandsdaten in hochauflösenden Bildern senden. Das hat sich bewährt, sodass wir das Angebot mittlerweile auch für normale Inventuren nutzen, denn die Flugkörper gehen im Lager Zeile für Zeile vor, und das während des Betriebs. Wir müssen also nicht extra den Hochregalbetrieb aussetzen. Eine weitere Technologie, die wir auf Anfrage der Kunden anbieten, ist der 3-D-Druck, der etwa bei der Ersatzteillogistik und bei der Erstellung von Mustern zum Einsatz kommt. In Hamburg werden wir weitere Innovationen und Technologien einsetzen, darunter beispielsweise auch fahrerlose Transportsysteme. Damit umgehen wir zumindest zum Teil das Thema Fachkräftemangel: Die Fahrzeuge sind zum Auslagern nachts im Einsatz, die Mitarbeiter, die es dazu braucht, werden zur Überwachung eingesetzt.

Das Unternehmen

  • Der Logistikdienstleister Group 7 aus Schwaig bei München bietet weltweit Transport- und Logistiklösungen an und verfügt nach eigenen Angaben über mehr als 195 internationale Stützpunkte

  • Das Unternehmen beschäftigt aktuell 700 Mitarbeiter, darunter 71 Auszubildende plus 5 duale Studenten

  • Der Umsatz 2020 betrug rund 150 Millionen Euro

Zur Person

  • Günther Jocher, Jahrgang 1959, ist seit 2007 Vorstand und Inhaber des Logistikunternehmens Group 7 (2006 gegründet) in Schwaig bei München

  • 2006 gründete er das Immobilienunternehmen Immogate (Schwaig), dessen Vorstand und Inhaber er seither ebenfalls ist

  • Der gelernte Speditionskaufmann hatte zuvor 1981 im Alter von 22 Jahren den Logistikdienstleister ITG aus der Taufe gehoben und war, auch nach der Beteiligung der Deutschen Post an ITG 1998, bis 2005 Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens

  • Jocher ist verheiratet und hat drei Kinder
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