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E-Mobilität in der Logistik Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Foto: Thomas Küppers

trans aktuell-Symposium "E-Mobilität in der Logistik": Talkrunde zu Ladeinfrastruktur, Projektmanagement und den Kosten für die Unternehmen.

Der Verkehrssektor soll seine CO2-Emissionen bis 2030 kräftig reduzieren – im Vergleich zum Jahr 2019 um 42 Prozent. Bis dahin sind es nur noch etwas mehr als sechs Jahre. Ist die Branche bereit?

Mega-Aufgabe Energie und Ladeinfrastruktur

Wenn man sich die Ladeinfrastruktur heute anschaut, könnte man Zweifel bekommen: „Bisher wurden nur kleine Schritte gemacht, vor uns steht aber ein Eisberg“, sagte Michael Bucher bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des trans aktuell-Symposiums zur E-Mobilität. Bucher ist Senior Manager E-Mobility beim Mobilitätsanbieter EnBW mobility+ aus Stuttgart, der sich auch als Partner am Projekt Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr (Hola) beteiligt.

Denn der Netzausbau dauere, weil im Energiebereich die Lebenszyklen eben sehr lange seien. Aktuell verbaue der Energiekonzern EnBW pro Jahr 100 Millionen Euro in Schnellladestationen, aber nur einige EnBW-Ladepunkte könnten auch durch Lkw genutzt werden. „Für Elektro-Lkw braucht es eine eigene öffentliche Ladeinfrastruktur“.

Öffentliches Laden teurer als Depotladen

Aber öffentliches Laden werde immer teurer als Depotladen sein, weil die Ladepunkte wegen des Energiewirtschaftsgesetzes auch mit den vollen Umlagen belastet werden. Noch dazu sei nicht geklärt, woher die Flächen kommen sollen, fehlen laut Bucher doch allein schon heute mindestens rund 30.000 Parkplätze für Lkw. Ein weiteres Manko seien die fehlenden Standards für die Elektromobilität. „Jedes Bauamt, jede Behörde tickt anders und bei den mehr als 800 Verteilnetzbetreibern hat jeder unterschiedliche Anforderungen, etwa für die Transformatoren“, sagte der Energieexperte.

Zu begrüßen sei daher die Eigeninitiative der Unternehmen für eigene Ladepunkte, wenn auch die Anforderungen – Zeitpunkt der Leistungsbereitstellung, Mengenabnahme, vorhanden Fläche – nicht zu unterschätzen seien, ebenso die Kosten: Selbst ohne Extras wie einem Trafo können Netzanschluss und Ladepunkt schnell auf 200.000 Euro kommen.

Dass dies nur ein ungefährer Preis ist, konnten Peter Egner, Leiter SCM & Logistik Automotive bei Schaeffler Automotive in Bühl, sowie Rainer Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter von Logistik Schmitt in Ötigheim, bestätigen.

Tausende Euro für Kabel

Laut Egner hat etwa beim öffentlichen Ladepark für Pkw am Standort Bußmatten in Bühl allein die Verlegung von Erdkabeln mehrere Tausend Euro verschlungen.

Und nach Ansicht von Rainer Schmitt ist es manchmal reine Glückssache, wie die Infrastruktur vor Ort aussieht. Am bestehenden Standort Ötigheim waren die Bedingungen relativ gut, bei einem neu erworbenen Standort Germersheim mussten jedoch ein neuer, größerer Trafo gebaut, 70 Meter Kabel für 30.000 Euro verlegt und ein Netzinfrastrukturzuschuss in Höhe von 70.000 Euro bezahlt werden. Ohne Förderung etwa im Rahmen des KsNI-Programms, sei dies kaum machbar, konstatiert Schmitt, und gibt die Mindestkosten für Netzzugang plus Ladesäule mit fast 500.000 Euro an.

Notwendig sind auch Speichermöglichkeiten

Wolfgang Thoma, geschäftsführender Gesellschafter von Ansorge Logistik, hat auch mehrere positive Förderbescheide erhalten. Wichtig ist für ihn jetzt eine ganzheitliche Betrachtung der Ladeinfrastruktur. Dazu gehören nicht nur die eigene Photovoltaik-Infrastruktur und Ladesäulen, sondern auch eine Speichermöglichkeit. „Dann steht auch Leistung zum Aufladen dann zur Verfügung, wenn die Lkw sie am meisten brauchen – nachts“.

Der Unternehmer hält es für wichtig, für die Planung auch externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem müsse bei Mitarbeitern die Empathie für das Thema E-Mobilität entwickelt werden: „Das ist eine gewaltige Veränderung, deren Dimension kaum einer erfasst hat“, sagte Thoma.

Auch Peter Egner sieht die Herausforderungen: „Wir suchen noch nach guten Konzepten für das Laden im Kurzstreckenbereich“, sagte der Logistikverantwortliche. Schaeffler wolle Ladekapazität für Dienstleister an den eigenen Rampen schaffen – „bei 54 Lägern weltweit wird das ein sehr umfangreiches Projekt“. Für ihn ist bei der Planung von E-Mobilität daher vor allem wichtig, nicht nur in einzelnen Strecken, sondern in Netzen zu denken.

Dass der Lieferant auch an seine Spediteure denkt, ist laut Egner ebenfalls wichtig. Gleichzeitig könnten OEM auch nicht erwarten, dass die Lieferanten alle Kosten rund um die E-Mobilität übernehmen, denn der Weg in die Nachhaltigkeit, das müsse jedem klar sein, koste nun mal Geld.

Kunden befürworten Maßnahmen - aber lassen den Geldbeutel zu

Das sehen einige Kunden auch so, aber noch nicht alle, so die Erfahrung der Spediteure Rainer Schmitt und Wolfgang Thoma: In den Ausschreibungen werde das Thema E-Mobilität und Emissionsminderung zwar oft aufgeführt, „aber oft bleibt das nur ein hehres Ziel“, sagt Thoma. Es sei daher notwendig, den Verlader auch auf die regulatorischen CO2-Maßnahmen hinzuweisen, die der Staat den Transport- und Logistikunternehmen künftig aufbürde.

„Auch für Kunden kann es ein Kostenvorteil, wenn sie das Thema mitgehen“, sagt Rainer Schmitt. Dafür dürfe der Dienstleister aber nicht beim kostensensiblen Einkauf anklopfen, sondern müsse gleich die Geschäftsleitung des Kunden mit ins Boot holen. Seine Erfahrung: Kunden etwa aus dem Lebensmittelbereich oder mit hochwertigen Produkten nehmen das Thema CO2-Minderung ernster. Aber trotzdem höre man allzu häufig den Satz „Komm‘ wieder, wenn es das Gleiche wie der Diesel kostet“.

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