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Düstere Prognosen für die Bahn 20 Jahre, bis die Schiene fit ist

Foto: Thomas Küppers

Ernüchterung bei der VSL-Mitgliederversammlung: Keiner der Redner sieht die Bahn in der Lage, kurzfristig ihre Leistung zu verbessern. Wie der grüne Landesverkehrsminister Hermann die Sache sieht.

Die Prognosen für den Schienengüterverkehr sind alles andere als rosig. Selbst treue Anhänger der Bahn geben sich keinen Illusionen hin, was die eigentlich geplante Stärkung des Verkehrsträgers angeht. „Die Schiene ist so schlecht wie noch nie“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei der Mitgliederversammlung des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) am Dienstag in Esslingen.

Hermann: In zwei Jahren ist keine Schiene zu reaktivieren

Der Verkehrsminister führt dies auf eine jahrelange Unterfinanzierung des Verkehrsträgers zurück. Die Politik, aber auch die Branche braucht nach Hermanns Auffassung nun einen langen Atem: „Jede Vorstellung, dass wir innerhalb von zwei Jahren die Schiene reaktivieren können, ist völlig daneben“, erklärte er bei der Veranstaltung, die an seinem 70. Geburtstag stattfand. „Wir brauchen mindestens 20 Jahre, um den Güterverkehr auf der Schiene so leistungsfähig zu machen, wie wir ihn brauchen.“

Hermann brach deshalb erneut eine Lanze für den Oberleitungs-Lkw. Die Schieneninfrastruktur auszubauen, sei ein langfristiges und teures Unterfangen. „Die Autobahn haben wir“, sagte er und warb für eine Elektrifizierung – vor allem auf jenen Abschnitten, die überlastet sind und für die es keine passenden Angebote auf der Schiene gibt – etwa auf der stauträchtigen A6 von Heilbronn über Nürnberg in Richtung Prag. Auch beim geplanten Bau von Kombi-Terminals habe es innerhalb der vergangenen zehn Jahre kaum Fortschritte gegeben, räumte der Grünen-Politiker ein. Ein Projekt bei Eutingen war an einer Bürgerinitiative gescheitert, ein weiteres in Horb-Heiligenfeld geht nun in die konkrete Planung. „Wir brauchen mehr dezentrale Terminals“, sagte Hermann und hofft, „dass dahingehend auch in Reutlingen noch was geht“.

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Auch Michael Theurer (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium (BMDV) und seit 12. Januar Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, sieht erhebliche Herausforderungen für den Verkehrsträger. Die Themen verfolgten ihn bis in den Schlaf, sagte er. „Was mir aber nicht gefällt, ist, dass man sich noch über die Bahn lustig macht“, sagte er und wollte die Dinge auch nicht schönreden: „Die Infrastruktur ist nicht gut.“ Theurer setzt auf eine umfangreiche Modernisierung hin zu einem Hochleistungsnetz, mehr Schlagkraft durch die geplante neue Infrastrukturgesellschaft sowie eine deutlich schnellere Planung. Mit Blick auf das Ziel der Bundesregierung, den Anteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen, sagte er: „Dieses Ziel ist sehr ambitioniert.“

Huster glaubt nicht mehr an 25 Prozent Schienenanteil

Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV), sieht die Chancen dafür schwinden. „Wir glauben nicht mehr daran“, sagte er, wenngleich er sich das Erreichen des Ziels natürlich wünschen würde. „Die Schiene ist so schlecht aufgestellt, dass wir gar nicht mehr wissen, wie wir die Karre noch aus dem Dreck ziehen sollen.“ Um die Performance des Verkehrsträgers zu verbessern, seien die DSLV-Verantwortlichen sogar bereit, einige Kröten zu schlucken – konkret würden sie zustimmen, die geschlossenen Finanzierungskreisläufe aufzubrechen. Soll heißen: Einnahmen aus der Straße müssten laut dem Verband nicht mehr zwingend zu 100 Prozent in die Straße zurückfließen, sondern könnten im Sinne einer Verkehrsverlagerung auch der Schiene zugutekommen. Denn eines steht für Huster auch fest: Die Schiene hat trotz allem Zukunft – für Speditionen vor allem das Segment des Kombinierten Verkehrs.

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Deutliche Worte zur Bahn fand auch der frisch gewählte VSL-Präsident Dr. Micha Lege. „Das Netz ist ein Totalausfall“, sagte der Chef des Logistikdienstleisters Wiedmann & Winz aus Geislingen an der Steige. Er verspüre aber keine Schadenfreude. Denn die Bahn werde dringend gebraucht. „Wir benötigen sie als Treiber bei der Verkehrswende“, sagte er. „Wir wollen mehr Güter auf der Bahn“ – und ausdrücklich bekenne sich auch der VSL zum Klimaschutz. Aktuell sei die Erfahrung aber die, dass Verlader sich bei seinem Unternehmen meldeten und Frachtraum auf der Straße anfragten, weil sie sich von der Schiene abwenden möchten.

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