BusBlog zur Flixbus-Expansion Erfolgsstory auf Amerikanisch

Foto: Flixbus
Meinung

Flixbus ist am Ziel seines amerikanischen Traums: Greyhound gehört nun zur Gruppe und macht die Münchner auf einen Schlag zur Nummer 1 in den Staaten. Der Verbreitung alternativer Antriebe im Reisebus könnte dies durchaus nutzen.

Wer hätte das vor rund zehn Jahren gedacht? Ein Start-up aus Deutschland, das durchaus nicht das erste war, das sich für die überfällige Freigabe der Fernlinien eingesetzt hatte (wer kennt noch „DeinBus" aus Offenbach?), wird zum Global Player und schluckt jetzt DIE Ikone des Fernbusreisens in den USA, Greyhound. Gegründet vor rund 107 Jahren in Minneapolis und weltweit bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund – Windhund eben. Dabei hätte man bis heute beide Unternehmen und deren Geschäftsmodell eher als Gegenentwurf denn als Passung bezeichnet: Hier ein kompaktes, hocheffizientes Netz auf digitaler Basis ohne eigene Busse und Terminals – dort ein ausgedehntes Netz bis in die amerikanische Prairie mit eigenen Bussen und eigenen Terminals, die jedoch mancherorts zum Fürchten waren.

Wir haben 2020, einige Tage bevor das Corona-Virus unbemerkt über Seattle eingereist ist, die Probe aufs Exempel gemacht und haben beide Carrier ausprobiert (siehe lastauto omnibus Heft 3/2020). Licht und Schatten gab es hier wie da, der physische „Groundservice" gefiel uns bei Greyhound etwas besser, die Busse dagegen nicht. Wirklich sexy ist es nicht eben, auf einem grün markierten Parkplatz in L.A. auf den großen Grünen zu warten – wenigstens gab es einen Foodtruck.

Gemeinsame Linie als große Herausforderung

Die große Herausforderung dürfte es nun werden, die beiden Unternehmen und Konzepte zum Wohle des Passagiers und der klimafreundlichen Mobilität zu vereinen. Den Namen Greyhound dabei aufzugeben (wie bei der Übernahme von „Mein Fernbus" in Deutschland) wäre eine nicht wieder gut zu machende Marketingsünde – ist der Name wie Donnerhall doch fast das einzige reale Asset, das Flixmobility für seinen Zweck nutzen kann. Weder die Busse wollte man wirklich haben, noch die maroden Immobilien, die man gleich beim Vorbesitzer ablud wie auch die Pensionsverpflichtungen für die angestellten Fahrer. Die Corona-Hilfen des Staates dagegen behielt man natürlich.

Zwar schwärmte der US-Flixbus-Chef Pierre Gourdain schon bei unserem Besuch, die grüne Marke werden schon fast als amerikanisch wahrgenommen – nicht zuletzt aufgrund ihrer extrem digitalisierten und gefranchisten Erscheinung – aber wer würde sich schon eine 107 Jahre alte Ikone der US-Geschichte entgehen lassen? Denn nicht weniger ist Greyhound seit jeher. Schon der ehemalige Neoplan-Chef Bob Lee tourte im Greyhound Ende der 50er Jahre auf Bildungsreise durch die USA und hatte wesentliche Inspirationen für seine Luxus-Busse in Deutschland, die er später auch ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten exportierte und sogar dort baute. Alles Geschichte!

Ein echter Schnäppchenpreis!

Die Corona-Krise hat dem Busverkehr, so auch Flixbus, einen schweren Schlag versetzt, das ist keine Frage. Auf der anderen Seite hat es diesen epochalen Deal erst möglich gemacht. Quasi zum Schnäppchenpreis von nur noch rund fünf Prozent des Kaufpreises von 2007 (178 Mio. statt 3,6 Mrd. Dollar) kann sich Flixmobility den wankenden Riesen einverleiben und wird zur Nummer 1 in den USA, nachdem man dies in den meisten europäischen Ländern schon geschafft hat.

Man darf hoffen, dass die Kunden jetzt langsam wieder zurückkommen und die Busse beider Marken wieder häufiger besteigen. Die Voraussetzungen sind hier optimal, fährt der Fernlinienbus doch ähnlich schnell wie der US-Pkw und teilweise in den Ballungsgebieten sogar auf Vorrang-Spuren – man ist also tatsächlich schneller unterwegs als im eigenen Auto. Eine ähnliche Chance hat die neue Ampel-Koalition mit dem Tempolimit-Wahnsinn schon im Ansatz erstickt.

Die Chance für alternative Antriebe

Hoffen darf man auch an einer anderen Front. Tun sich die europäischen Busbauer mit reinen Elektro-Reisebussen noch extrem schwer, fahren in den USA schon etliche Modelle umher, alleine Marktführer MCI bietet drei Modelle an. Zugegeben, es geht vor allem um Werksverkehre für die Big-Tech-Companies, die kaum Kofferraum brauchen. Aber ein Anfang ist gemacht.

Europa-Marktführer Daimler, der vor kurzem den neuen Mercedes-Benz Tourrider für den US-Markt vorgestellt hat (siehe lastauto omnibus 10/21), will oder kann nicht einmal einen vagen Zeithorizont angeben für derartige Zwangsläufigkeiten. Das dürfte nicht so bleiben können, wenn „Flixhound" – sorry Flixbus und Greyhound natürlich – ihr Versprechen auf klimaschonende Mobilität wahrmachen wollen bei der Erneuerung der gemeinsamen Flotte. Bisher ist man an den störrischen Herstellern gescheitert, auch wenn sie aus China kamen. Im Land der unbegrenzten finanziellen und technischen Möglichkeiten sollte dies einen Schub verleihen, der sich bis nach Europa beschleunigend auswirkt. Es muss ja nicht gleich in Windhundseile sein.

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