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Ausbeutung von Fahrern Fahrer fordern halbe Million Euro

Foto: Johannes Roller

Erneut sind Fahrer im Auftrag des umstrittenen Spediteurs Mazur auf dem Parkplatz Gräfenhausen in den Streik getreten. DGB und Verhandlungsführer Atema prangern eklatante Missstände an.

Es ist brütend heiß und stinkt nach Fäkalien. Und wo immer man hinschaut, sieht man die Farbe Blau sowie Streikplakate. Orte des Geschehens sind die Lkw-Parkplätze Gräfenhausen West und Ost, die mit den blauen Sattelzügen der Firmen Akmaz, Lukmaz und Imperia des umstrittenen polnischen Unternehmers Lukasz Mazur belegt sind. Mehr als 100 Lkw-Fahrer aus Georgien, Usbekistan, Tadschikistan, der Ukraine und der Türkei harren dort seit Wochen aus und warten auf ihre vertraglichen Leistungen. Von einem Lohn kann man nicht sprechen, weil die Fahrer nicht im klassischen Sinn bei Mazurs Firmen angestellt sind.

Mazur stellt Anzeige gegen die streikenden Fahrer

Die Forderungen belaufen sich auf mehr als eine halbe Million Euro. Der zum Verhandlungsführer der Fahrer gewählte niederländische Gewerkschafter Edwin Atema spricht von 543.000 Euro an ausstehenden Zahlungen. Mazur weigere sich zu verhandeln. Im Gegenteil: Der Speditionschef seinerseits wirft den Fahrern Erpressung und Nötigung vor und hatte Anzeige gegen sie gestellt. Mehr als 40 Polizeibeamte hatten daraufhin Mitte August die Personalien der Fahrer aufgenommen. Die Fahrer hätten sich dabei sehr kooperativ verhalten und – wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) berichtet – auch erklärt, ohne anwaltliche Unterstützung keine Aussagen zu den vorgeworfenen Sachverhalten machen zu wollen.

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Bereits im April hatten Dutzende Fahrer im Auftrag von Mazurs Firmen im hessischen Gräfenhausen gestreikt. Nach öffentlichem Druck und primär wohl nach angedrohten Konventionalstrafen durch die Auftraggeber hatte der Firmeninhaber die Zahlungen beglichen, woraufhin die Fahrer den Streik beendeten und abreisten. Mit einem nach Gräfenhausen geschickten Schlägertrupp hatte der Firmenchef versucht, die Streikenden einzuschüchtern – wurde aber von der Polizei gestoppt.

Für den zuständigen DGB-Bezirk Hessen Thüringen sind die Art der Vertrags- und Beschäftigungsmodelle durch Firmen wie die Mazur-Gruppe ein Skandal. „Es wird deutlich, welche Missstände im internationalen Fern- und Güterverkehr auf Deutschlands Straßen jeden Tag vorherrschen“, erklärte Renate Sternatz, die stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks. EU-weite Vorschriften würden missachtet und Fahrer systematisch ausgebeutet. Lösen oder beenden könne die Situation nur der Spediteur in Polen, betont Gewerkschafter Atema.

Rennfahrer verdienen Millionen, Lkw-Fahrer legen drauf

Der Verhandlungsführer sowie der DGB prangern die Unternehmen an, in deren Auftrag die Mazur-Firmen die Transportaufträge abwickeln. „Im Moment stehen auf dem Parkplatz Lkw, die für Firmen wie Audi, Porsche und Red Bull Energy Drink beladen sind“, heißt es in einer Mitteilung des DGB. Auch renommierte Logistikdienstleister sind demnach involviert. „Derzeit stehen mehrere Lkw beladen, bei denen DHL und Intercargo aus Österreich Teil der Liefer- und Vertragskette sind“, heißt es. Bereits bei der vergangenen Streikwelle im April hätten Fahrer Petitionen an DHL und Intercargo geschickt, um ihre „ausbeuterische Situation“ zu schildern und um Hilfe von diesen Unternehmen zu bitten. „Trotz dieser Petitionen und auch nach der Verhaftung des Firmeninhabers Mazur im April sind diese Unternehmen weiterhin an der Vermittlung von Transportkontakten an Mazur beteiligt“, kritisiert der DGB.

Die Gewerkschaft vergleicht die Situation der Fahrer mit den von den Auftraggebern der Transporte gesponserten Sportlern. „Red Bull und DHL sind große Namen und geben viel Geld für das Sponsoring von Formel-1-Rennfahrern aus“, heißt es. Diese verdienten viele Millionen Euro im Jahr und bekämen keine Abzüge, wenn sie einen Unfall verursachten. „Die Gräfenhausener Fahrer verdienen so wenig, dass sie nicht einmal ihre Familien ernähren können, kein Geld haben, um einen Euro für einen Toilettengang auf einem deutschen Parkplatz auszugeben, sich wie Sklaven behandelt fühlen und für alle unternehmerischen und wirtschaftlichen Risiken bei Mazur Lohnabzüge erhalten.“

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